"Geisha" - Buchrezension

 

Allgemeine Infos:
Titel: "Geisha"
Originaltitel: "Geisha"
Autor: Liza Dalby
Übersetzung: aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren
Erscheinungsdatum:  1985/2000 (D),  1983/1998 (US)
von mir rezensierte Auflage: Ausgabe von 2004
Originalpreis: 5,00€ (D)
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH
Umfang / Buchart: 383 Seiten, Paperback/Taschenbuch-Umschlag
Genre: (Auto)Biografie, Geisha-Studium
ISBN: 3-499-26491-9
Info: Vorsicht, das gleiche Buch ist auch noch mit anderem Cover erschienen.

Buchrücken:

"Gesellschafterinnen oder Edelhuren? Zwischen diesen beiden Extremen bewegen sich westliche Vorstellungen über Geishas. Die amerikanische Ethnologin Liza Dalby wollte es genau wissen. Als erste Ausländerin ließ sie sich in einem Teehaus in Kyoto zur Geisha ausbilden und erlernte diesen traditionsreichen Beruf mit all seiner raffinierten Etikette. Ihr Erlebnisbericht bietet einen einzigartigen Einblick in eine faszinierende fremde Welt."

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Kurz über die Autorin:
"Liza Dalby promovierte an der kalifornischen Stanford University in Ethnologie. Nach dem Studium beschloss sie, den traditionsreichen japanischen Frauenberuf Geisha nicht nur zu erforschen, sondern – als erste Ausländerin – selbst zu erlernen. In ihrem Erstling «Geisha» erzählt sie von ihrer Lehrzeit in Kyoto. In ihrem Roman «Pflaumenblüten im Schnee» schreibt sie über das Schicksal von Murasaki Shikibu, der ersten Romanautorin, die um die erste Jahrtausendwende mit der «Geschichte vom Prinzen Genji» zu Weltruhm gelangte."

Der Übersetzer "Dirk van Gunsteren, 1953 geboren, übersetzte u.a. Jonathan Safran Foer, Colum McCann, Thomas Pynchon, Philip Roth, T.C. Boyle und Oliver Sacks. 2007 erhielt er den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis.(Texte aus einer Verkaufsseitenbeschreibung)

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Inhaltsverzeichnis:
Vorwort
Geisha und Ethnologie
Erster Teil: Beziehungen

1 Schwestern

- Der Tod einer Geisha
- Die Geisha-Familie
- Söhne und Liebhaber
2 Kyoto
- Gerald Ford und die Maiko
- Der Ehrenplatz
- Bonchi
- Wiedersehen mit Pontocho
- Ein letzter Cognac
3 Starke Bande
- Namen
- Ichigiku, die jüngere Schwester von Ichiume
- Wahlverwandtschaften
Dreimal aus drei Schalen
- Hiki Iwai - der Austritt
- Lernen durch Beobachtung
4 Das alte Pontocho
- Brücken und Wasserwege
- Legale Prostitution
- Männliche Geishas
- Pontochos Anfänge
- Gönner und Politiker
- Das goldene Zeitalter
- >>Befreiung<<
- Vorschriften
- Vereinheitlichung
- Das Paradox der Moderne
- Zusammenschluß
- Neue Moden
5 Erneuerung
- Rivalitäten
- Cocteau in Kyoto
- Geishas sind der Nabel der Gesellschaft
- Das Geisha-Buch
- Geishas sind glücklich
- Die Schule der Gesellschaft
- Moderne Geishas
- Berufstätige Frauen
- Hilfreiche Tipps für gewissenhafte Geishas
- Die Geishas im Krieg
- Beschränkungen
6 ein neuer Anfang
- Begrüßungen und Glückwünsche
- Mein Debüt als Geisha
- Mein erstes Bankett
- Die Entjungferung
- Die Liebe einer Geisha
- Speisen und Getränke
- Die neue Geisha von Pontocho
7 Generationen
-Setsubun: Das Frühlingsfest
- Die drei Großen von Pontocho
- Korika
- Satomi
- Michiko
- Blinde Tauben
- Die kleinen Drachen
8 Geisha-Parties
- Das Zashiki
- Die Bierzeremonie
- Futami, die kleine Mutter des >>Dai-Ichi<<
- Allein in Gion
- Ichiriki
- Der japanische Humor
- Verabredungen zum Essen
- Cocktails oder Oshaku
- Das wahre Gesicht hinter der gesellschaftlichen Fassade
- Ein zwangloses Zashiki
Zweiter Teil: Variationen
9 Geishas und andere Frauen

- Vergnügungsviertel
- Geishas und Ehefrauen
- Verheiratete Frauen gegen Geishas
- Dienen
10 Der Aufstieg von Akasaka
- Der Konkurrenzkampf der Hanamachis
- Prestige und Vorurteile in Akasaka
- Disziplin ohne Bestrafung
- Freiheit der Wahl
- Geisha-Häuser
11 Großstadt-Geishas
- Das Geisha-Haus Yamabuki
- Das Leben einer Geisha
- Die Kunst, sich von einer Geisha unterhalten zu lassen
- Keine Illusionen
- Eine charakteristische Atmosphäre
- Bargeld
12 Kunst und Leben
- Die Kirschblüten-Dame
- Der Niedergang der moralischen Grundsätze
- Kunst als Lebensinhalt
- Die Berufswahl
- Zur Geisha geboren
- Mädchen als Handelsware
- Ein Opfer für die Familie
- Die Abschaffung der Schuldsklaverei
- Heiratsaussichten
13 Geishas auf dem Lande
- Atami
- >>Der seichte Fluß<<
- Geishas von zweifelhaftem Ruf
- Ein böses Schicksal
- Ein anerkannter Beruf
- Ichigiku in Atami
Dritter Teil: Die Feinheiten des Lebens
14 Drei Saiten

- Das Shamisen
- Geishas als Musikerinnen
- Divertimenti
- Motoko
- Gesucht: Geishas
- Schwesterlicher Rat
15 Geschmack
- Die schwebende Welt
- Iki
- Unterricht in Iki
- Die großen Auftritte
- Geishas bevorzugt
16 Kimonos
- Kimono-Sprache
- Wer trägt einen Kimono?
- Tatamis und Stühle
- Die geschichtliche Entwicklung des Kimonos
- Kimono-Schulen
- Eine neue Kleidung muss man lernen
- Die Kimono-Grammatik
17 Rückblicke
- Der Tempel der Großen Tugend
- Lampions
- Querströmungen
Anmerkungen
Worterklärungen
Inhaltsverzeichnis

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Vorkommende Charaktere/Personen:
Ichigiku - Geisha-Name von Liza Dalby
Ichiume - Liza Dalbys "große Schwester", galt als eine der "Kleinen Großen Drei" von Pontocho
Ichiraku - die Okasan von Liza Dalby, eine 
der "drei Großen" Geisha von Pontocho
Satomi - Eine der "drei Großen" Geisha von Pontocho, Freundin von Ichiraku
Korika - Eine der "drei Großen" Geisha von Pontocho, Freundin von Ichiraku
Komachiyo & Ichiteru - die beiden weiteren Geisha der "Kleinen Großen Drei"
Chris - ein alter Freund von Liza, den sie in Japan zufällig wiedertrifft, da ist er ein Mönch geworden
Sakurako - kommt als junge Frau in die Geishawelt; Geisha in Shimbashi; Faible für Tanz
Motoko - junge Japanerin die als Erwachsene überlegt, Geisha werden zu wollen, interessiert sich für traditionelle Musik
Oyumi - Vize-Präsidentin Geisha-Vereinigung von Shimbashi
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Meine Meinung:
Sie gilt als erste "westliche" Geisha in Japan: Für Recherchezwecke zur Erforschung des Geishaberufes ließ die Anthropologin sich selbst ein Jahr lang in Ponto-chō zur Geisha ausbilden. Sie wurde zu Ichigiku, die bald selbst eine kleine Sensation wurde, weshalb sie zugibt, wahrscheinlich genauso viele Interviews gegeben zu haben, wie sie selbst damals geführt hatte. Dabei lernte sie während ihrer Ausbildung nicht nur interessante Innenansichten aus der Geishawelt in Kyōto (wenn auch hauptsächlich natürlich aus Pontocho) kennen, sondern besuchte u.a. auch Geisha in Tōkyō oder dem Badeort Atami und zeigt interessante Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihnen auf. Dabei wechselt Dalby innerhalb ihres Buches die Rollen: mal ist sie sachliche Erzählerin, die uns Entwicklungen rund um Geisha aus der japanischen Geschichte näher berichtet; mal Erlebnisse und Aussagen von Menschen aus der Geishawelt; oder bringt Aussagen von anderen japanischen Freunden und Bekannten ein. Und hin und wieder berichtet sie selbst von eigenen Erlebnissen, die sie als Geisha gemacht hat.
Dalby war mit 14 Geisha-Gemeinschaften aus ganz Japan in Kontakt und hat dabei nicht nur direkt mit Geisha, sondern auch Berufen um diese herum gesprochen, beobachtet, interviewt. 100 Geisha haben ihren von ihr verschickten Fragebogen beantwortet.

Was mir gut gefiel: Dalby weist westliche Feministinnen zurecht, die den Beruf der Geisha als entwürdigend ansehen. Gleichzeitig stellt sie sich aber auch nicht hin als jemand, der alles über Geisha weiß, sondern gibt zu, nur ein Stück weit in diese Welt eingetaucht sein zu dürfen, was sie nicht hochnäsig und besserwisserisch, sondern eher sympathisch wirken lässt. Zumindest auf mich wirkte das Buch in der deutschen Übersetzung sehr sympathisch, gut recherchiert und nicht überheblich oder arrogant, wie man es manches Mal leider erlebt, wenn sich "westliche" Autoren über japanische Themen äußern. Im Gegenteil: Liza Dalby schreibt mit einem feinen Gefühl, spricht eigene Fehler sympathischer Weise auch an, beobachtet sachlich und mit einem tiefen Gefühl&Respekt vor/ von den Geisha. Das war mir persönlich wichtig schon im Vorfeld, da mich das Thema Geisha schon lange fesselte: wie würde Dalby über die Geishawelt schreiben? Würde sie wirklich tief genug in die Welt eintauchen können und ehrliche Meinungen und Ansichten erhalten, oder würde sie am Ende in ihrem Buch Klischees bedienen? Aber meine Sorge war unbegründet. Dalby schreibt respektvoll, gut recherchiert und widerlegt hier und da an den passenden Stellen auch Klischees aus dem Westen offen. Zum Beispiel zeigt sie Unterschiede zwischen Kurtisanen und Geisha auf. Allerdings zeigt sie sich auch nicht blind vor Liebe und Ehre gegenüber den Geisha, benennt zum Beispiel offen, wenn sich ihr gegenüber jemand hochnäsig etc. benimmt.

Allerdings war Dalby 1974/75 nur kurze Zeit Geisha und ihr Vorwort enthält noch ein "Vierundzwanzig Jahre später", in dem sie zugibt, dass Zeiten sich eben wandeln, auch die Welt der Geisha; und sie führt kurze Beispiele der Veränderung an, ehe das Buch startet. Allerdings, für die kurze Zeit, die sie intensiv eingebunden war in die Welt der Blumen und Weiden, ist sie gut in das Thema eingedrungen und beschreibt umfassend und genau. Mir persönlich hat es gefallen, auch einmal genauer von anderen Geishavierteln zu lesen- von Pontocho, aus Tokyo oder auch aus Atami. Meistens wird Gion als DAS exklusive Geishaviertel verkauft und auch ins Deutsche übertragene Bücher stammen meist von bzw. handeln von Geiko aus Gion. Darüber hinaus greift Dalby umfassend die Welt der Geisha auf: Wie sie leben, arbeiten, ihre Einteilungen, das vor und nach der Karriere, ihre Stärken und Schwächen. Sie beschreibt ihr Können, ihre Ausbildung, Kleidung, Aufmachung und Kundschaft. Regeln innerhalb der Hanamachi, geht auf die Geschichte der Geisha ein oder auch besondere Feierlichkeiten, Traditionen und Gebräuche. Hier und da beschreibt sie auch kleine Alltäglichkeiten mit ihrer Okasan etwa, oder das Wiedersehen eines alten Bekannten als Bettelmönch. Auch dem Thema Kimono und seiner ganz eigenen Sprache wird mit Blick auf die Geisha große Aufmerksamkeit geschenkt.

Mich hat lediglich verwundert, dass die Geisha-Ankleider hier kaum bis gar keine Rolle spielten (in anderen Geisha Büchern galten sie bisher als einige der wenigen Männer im Viertel, die von Bedeutung seien). Auch hätte ich mir gewünscht zu erfahren, wie es für sie danach weiter ging. Klar hat sie noch einmal "Vierundzwanzig Jahre später" ergänzt im Buch, aber so richtig meine Fragen (Hat sie weiter Kontakt zu jemandem gehalten? Was ist aus ihrer Okasan etc. geworden) beantwortet hat es nicht. Trotzdessen, dass ihr Werk nun schon einige Jahre auf dem Buckel hat, finde ich es trotzdem wertvoll für Geisha-Interessierte. Auch der Schreibstil an sich war flüssig geschrieben und lässt sich gut lesen. Die Mischung von sachlichen Informationen und persönlichen Erfahrungen fand ich sehr gut. Gerade die realen Menschen und Schicksale haben das Buch sehr interessant gemacht. Betroffen gemacht hat mich vor allem die Tatsache, dass Ichigikus große Geisha-Schwester, Ichiume, die ihr viel beigebracht hat in ihrer Zeit als Geisha, einige Jahre später bei einem Brand ums Leben kam und ihr Tod das Hanamachi erschütterte.

Was ich nicht nachvollziehen konnte, war eine Kritik im Internet: Da schrieb jemand, das Buch sei "eher eine Art Lexikon" und nicht ein "richtiges Lesebuch" und bewertete es dementsprechend ganz schlecht. Dem kann ich nicht zustimmen. Liza Dalby versucht möglichst viel aus der Geisha-Welt zu erklären, bringt dabei aber auch eigene Erfahrungen und Gespräche, die sie geführt hat, ein. Für mich wirkte das weder langweilig noch eintönig. Man muss sich für das Thema interessieren, aber auch nicht bereits wie ich "mittendrin stecken" im Geishathema, um das Buch zu verstehen. Wer einen Roman erwartet, ist hier an der falschen Adresse (da wäre man eher mit "Die Geisha" von Arthur Golden beraten, aber das ist es eben auch: ein Roman ohne Wahrheitsgehalt, ohne eigene Erfahrungen). 

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Blick ins Buch: 

Im Buch kommen auch immer wieder mal Fotos vor, was den ganzen vorkommenden Personen ein Gesicht verleiht und für mich als Leser sehr interessant war. 

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Zitate aus dem Buch:
  • "Was bedeutet es, eine Geisha zu sein? Darauf gibt es zweifellos viele mögliche Antworten. Ich habe meine eigene gegeben und versucht, jene kulturellen Elemente aufzuzeigen, die dieser Frage notwendigerweise zugrunde liegen."
  • "Beim Schreiben dieses Buches habe ich diese beiden kulturellen Standpunkte miteinander verbunden: den der Außenstehenden, die sich mit überaus rätselhaft erscheinenden Gegebenheiten beschäftigt, und den einer Eingeweihten, die auf Dinge eingeht, welche einem Außenstehenden vielleicht gar nicht auffallen, die jedoch in der Welt der Geishas von zentraler Bedeutung sind."
  • "Die weitverbreiteten Mißverständnisse über die Verbindung zwischen Geishas und Prostitution haben ihren Ursprung in der Tatsache, daß man die vielen verschiedenen Arten von Geishas wahllos in einen Topf wirft. Einerseits kann man zwar sagen, daß eine Maiko aus Kyoto und eine Onsen-Geisha Teil einer lebendigen japanischen Tradition sind, andererseits jedoch ist es geradezu lächerlich, beide in einem Atemzug zu nennen."
  • "Die Weide aber ist ein sehr passendes Symbol für die Geisha. Sie muß nachgiebig sein und sich, je nach der Windrichtung und der Persönlichkeit des Kunden, anmutig nach allen Seiten biegen können."
  • "Geishas sind mehr als nur traditionelle Gesellschafterinnen. Sie ziehen sich nicht einfach um sechs Uhr abends einen Kimono an und gehen zur Arbeit; ihr Leben ist vielmehr Bestandteil eines größeren Ganzen. Ihre tatsächliche Arbeitszeit, für die sie bezahlt werden, ist nur der sichtbarste Teil ihres Berufslebens."

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Fazit: 
Für Interessierte rund um die Welt der Geisha ein absolut empfehlenswertes Buch. Sowohl für diejenigen, die schon mehrfach Lektüre über/von Geishas gelesen haben, als auch für Neueinsteiger, die sich das erste Mal mit dem Thema Geisha vertraut machen. Ein umfangreiches, interessantes Werk mit echten Einblicken und einer sachlich-bewundernden Autorin.

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* Unbezahlte Werbung / selbst getestet & selbst gekauft. 

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