
Allgemeine Infos:
Titel: "Pflaumenblüten im Schnee"
Originaltitel: "The Tale of Murasaki" , Doubleday / Nan A. Talese Books, New York, 2000
Autor: Liza Dalby
Übersetzung: Alexandra Bröhm
Erscheinungsdatum: 2001 (D), 2000 (US)
Originalpreis: 9,90€ (D)
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
Umfang / Buchart: 638 Seiten, Paperback/Taschenbuch-Umschlag
Genre: historischer, fiktiver Roman
ISBN: 3-499-23123-9
Info: Das Coverbild stammt von Goyo Hashiguchi (1880-1921) aus dem Jahre 1920 und trägt den Titel "Frau nach dem Bade".
Buchrücken:

"Als Murasaki Shikibu um die erste Jahrtausendwende in den Palast von Kyoto kommt, ist sie unerfahren und irritiert vom Glanz des höfischen Lebens: von den Intrigen und Machtkämpfen, aber auch von den erotischen Verwirrspielen, mit denen sich der Adel die Zeit vertreibt. Sie wird Hofdame der Kaiserin und Geliebte des mächtigen Kanzlers Michinaga. Ihr romantischer Roman >>Die Geliebte vom Prinzen Genji<< macht sie weltberühmt."
Beschreibung auf der ersten Buchseite:
"Aus den nachgelassenen Schriften der Murasaki Shikibu hat Liza Dalby eine faszinierende Romanbiographie entwickelt. Mit großem Einfühlungsvermögen entführt sie den Leser in die Blütezeit einer uralten Kultur und erzählt zugleich von einem Frauenleben, das der heutigen Zeit sehr nahe ist." [...]
"Ein atmosphärisch dicht gewebter historischer Roman aus dem alten Japan, der einen Einblick in das Leben und die Rolle der Geishas gewährt."
Kurz über die Autorin:
"Liza Dalby promovierte an der kalifornischen Stanford University in Ethnologie. Nach dem Studium beschloss sie, den traditionsreichen japanischen Frauenberuf Geisha nicht nur zu erforschen, sondern - als erste Ausländerin - selbst zu erlernen. In ihrem Erstling <<Geisha>> (rororo 22732) erzählt sie von ihrer Lehrzeit in Kyoto." (aus dem Buch)
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Meine Meinung:
Liza Dalby erzählt in ihrem historischen Roman fiktiv das Leben von Murasaki Shikibu, einer Frau, die tatsächlich einmal vor 1000 Jahren gelebt hat:
Murasaki Shikibu (紫式部, wahrer Name unbekannt) lebte Ende des 10. Jh. bis Anfang des 11. Jh. zur "Heian-Zeit" am japanischen Kaiserhof als Hofdame und Schriftstellerin. Sie ist bekannt für ihr Werk "Genji Monogatari", 'Geschichten des Prinzen Genji', welcher als erster, bedeutender Roman der östlichen Welt gilt- manchmal sogar als erster Roman überhaupt, aber daran scheiden sich bis heute die Geister. Auf jeden Fall ist es bis heute ein Meisterwerk der klassischen, japanischen Literatur und sogar der Weltliteratur. Durch ihren Roman, aber auch Murasakis Gedichte, Briefe und Tagebucheinträge von damals lässt sich viel erfahren über das Leben und Denken der Menschen vor so vielen Jahrhunderten in Japan. Doch was weiß man genau über Murasaki? Nicht einmal ihr richtiger Name ist bekannt, stattdessen gaben ihr die Menschen mit der Zeit den Namen der Konkubine ihres Romanhelden Genji.
Die Autorin Liza Dalby hat sich lange und viel, nicht nur mit Japan beschäftigt, sondern auch mit Murasaki Shikibu, deren Geschichte des Prinzen Genji sie ebenfalls verzauberte, beschäftigt. Anhand der Daten, Schrifen, die sie auffinden konnte, hat Dalby eine Romanbiografie entwickelt- also historische Fakten mit einem eigenen Roman darüber, wie Murasaki Shikibu wohl gelebt haben könnte. Und so führt sie uns in die Heian-Zeit und zeichnet uns ein lebhaft schönes Bild der damaligen Zeit, wie es gewesen sein könnte.
Dabei werden damalige Abläufe in Gesellschaft und Etikette, Rituale/ Bräuche, Religion und Aberglaube, Beschreibungen von Alltäglichen, wie etwa Kleidung / die damalige Mode, Speisen, Transportmittel, Natur, etc. im Buch eingewoben.
Die Heldin Murasaki schildert uns im Buch den Verlauf ihres Lebens- von dem Leben im Hause ihres Vaters und den dort einhergehenden Veränderungen. Eltern, Geschwister, Freunde, sie alle bekommen ein Gesicht und einen Charakter. Sie erzählt von Bekannten, der Politik am Hofe, dem Ablauf in einem damaligen Haushalt, sogar Exorzismus wird beschrieben, wie er damals stattfand. Von der Liebe, Enttäuschungen und sexuellen Erfahrungen oder auch, was es damals hieß, Frau zu sein. Denn im Buch ist Murasaki kein übliches Mädchen ihres Alters- während Freundinnen bereits verheiratet sind oder Kinder haben, widmet sie sich lieber ihrem Chinesischstudium und ihrem Schreiben an ihrer Geschichte (damals war es ungewöhnlich, dass eine Frau die chinesische Schrift beherrschte). Sie möchte unabhängig sein und doch sind Ehe und Kinder in damaligen Zeiten auch immer wieder Thema. Sie berichtet von einem Aufenthalt bei ihrer Tante, als in der Hauptstadt Seuchen wüten, oder der Versetzung ihres Vaters und dem Umzug der gesamten Familie in eine für sie gänzlich unbekannte Ecke Japans, nach Echizen. Sie beschreibt ihre Erlebnisse dort, Begegnungen mit chinesischen Gelehrten, und wie sie allein in die Hauptstadt zurückkehrt. Murasaki erlebt noch das ein oder andere, bevor es sie ungewöhnlich spät im Leben noch an den kaiserlichen Hof verschlägt. Dort schließt sie Freundschaften, lernt aber auch Intrigen und Verluste, sogar Verrat kennen. Sie schildert uns ihren Kampf mit ihren inneren Dämonen- der Melancholie oder auch, wie die Realität nicht ihrer Vorstellung entsprach.
Es geht viel im Buch um die feinen Künste der damaligen Zeit und Liza Dalby lässt diese Heian-Zeit für uns wundervoll wieder auferstehen. Voller Farben, Poesie, Mode und Naturerlebnissen; Figuren kommen und gehen, Leben und Tod, Freude und Leid- all das erleben wir mit.
Ich weiß nicht, ob schon einmal jemand von euch von den sogenannten 72 Mikrojahreszeiten (im poetischen) Japan gehört hat: Neben den 4 großen Hauptjahreszeiten gibt es noch viele kleine, in die sich das Jahr unterteilen lässt und welche inspiriert von Wetterveränderungen sind. Angelehnt oder abgeleitet eher sind sie von einem ursprünglichen chinesischen Kalender, der hier im Buch ebenfalls immer wieder angesprochen wird. Etwa gibt es im Sommer einen zweiwöchigen Abschnitt namens "Große Hitze" und davon die ersten 5 Tage heißen "Verrottete Gräser verwandeln sich in Leuchtkäfer".
Die Natur findet sich ohnehin immer wieder ein in der Literatur und Poesie, etwa in die Gedichte, die Murasaki per Boten als Nachrichten versendet, oder ihre Geschichte von Genji, die sie schreibt. Dalby baut dabei die echten Gedichte und auch Auszüge aus dem Prinzen Genji in ihren Roman ein. Auch hält sie sich dabei an die überlieferten, noch erhaltenen Teile von Murasakis Tagebuch- warum Teile fehlen, ist bis heute übrigens unbekannt. Man vermutet, entweder gingen sie über die Jahrhunderte verloren (z.B. durch Brände) oder wurden von Murasaki selbst absichtlich zerstört.
Neben der Natur spielt auch die Mode eine große Rolle, beziehungsweise der damalige Glaube, Murasaki schildert gerade am Hofe oft bestimmte Kleidungsstücke, Muster und Farben; aber auch besondere Rituale und Abläufe. Wusstet ihr etwa, dass Krankheiten damals damit assoziiert wurden, dass Menschen von bösen Geistern besessen wurden? Da kam nicht der Arzt zum Heilen, sondern der Exorzist zum Austreiben.
Das Buch ist unglaublich umfangreich. Murasaki beschreibt uns so vieles, auch an Details. Gerade zu Ihrer Zeit am Hof waren es mir dann manchmal doch ein bisschen zu viel der Kleidungs- oder Personenbeschreibungen, aber das ist Geschmackssache. Liza Dalby hat viel über das Zeitalter recherchiert, damit sie sich nicht nur auf die erhaltenen Schriften von Murasaki stützen muss, und das merkt man. So ist die Welt umfangreich und detailliert geworden, allein mit Murasakis Aufzeichnungen wäre das wahrscheinlich nicht gelungen.
Irgendwann konnte ich nicht mehr auseinander halten, was wohl wahrer Fakt und was künstlerische Freiheit/ Fantasie der Autorin war. Aber das war mir irgendwann auch egal. Das Buch ist interessant und man möchte wissen, wie es mit den Charakteren weitergeht. Und im Hinterkopf hat man, dass es so oder so ähnlich tatsächlich gewesen sein könnte. Vergleicht man das Buch mit Einträgen aus dem Internet, gibt es den ein oder anderen Unterschied in den geschichtlichen Aufzeichnungen.
Nichtsdestotrotz ist das Buch keines zum "Schnell Weglesen". Ich lese eigentlich zügig, habe aber wirklich lange dafür gebraucht. Das hatte mehrere Gründe: 1. Die Schrift ist kleiner und gedrungener als bei anderen Büchern, der Rand ebenfalls schmal, wodurch echt viel an Text auf den Seiten draufgepackt war (und es trotzdem noch über 600 Seiten waren). 2. Die vielen Informationen, Beschreibungen, Namen etc. haben mich aufgehalten. Gerade die ausführlichen Beschreibungen und Ausdrucksweise der Figur. Es war eben "eine andere Zeit". Es war nicht langatmig für mich, aber man muss sowas auch lesen können/ wollen. Ich habe zum Beispiel auch Meinungen im Internet gelesen, die das Buch abgebrochen haben oder zu "langweilig", "sich wiederholend" oder "dahinplätschernd" fanden. So schlimm war es jetzt nicht für mich, aber ich brauchte auch wirklich Zeit und Ruhe zum Lesen. Mal schnell durchgelesen ist es nicht und wahrscheinlich auch wirklich nur für die geeignet, die sich wirklich für Japans Geschichte interessieren. Ich fand auch, dass recht viel im Buch geschieht, aber es eben ausführlicher beschrieben wird und die Story nicht zusammengedrängt wird, weshalb es dem ein oder anderen wohl zu langatmig erschien. Die ausführliche Beschreibung mancher Kleidung hätte manchmal kürzer ausfallen können, andererseits waren das wahrscheinlich manche der Texte (in Briefform), die es tatsächlich noch gab.
Übrigens beginnt& endet das Buch mit einem Brief von Katako (der Tochter Murasakis) die sich wiederum an ihre eigene Tochter wendet. Sie hat während ihrer Schwangerschaft (mit der Enkelin Murasakis) beim Durchsehen der Unterlagen ihrer verstorbenen Mutter Murasaki unbekannte Aufzeichnungen gefunden. Diese hält sie nun für die Enkelin fest und so beginnt das Buch mit/ über das Leben der Mutter, bzw. angesprochenen Großmutter. Übrigens hat Murasakis Tochter Katako ihre Mutter in Echt mit ihrem Rang am Hof überholt, sie schaffte es bis zur obersten Kammerjungfer und 37 ihrer Gedichte wurden in kaiserliche Sammlungen aufgenommen. Die Enkelin von Murasaki dagegen, Katakos Tochter, soll nie etwas geschrieben haben.
Japanische Namen, auch alte, heute nicht mehr aktuelle; sind im Buch enthalten und es wird im Text direkt oder in einer Fußnote erklärt, um was es sich handelt, ohne dass der Lesefluss groß gestört wird. Etwa, dass yuzu eine Zitrusfrucht ist, etc. Woran ich mich aber gestört habe, dass zumindest hier in der deutschen Übersetzung die alte Eindeutschung des Fuji genutzt wurde, nämlich Fudschijama. Ich persönlich finde, das sieht einfach grauenhaft aus und passt hier in dem Zusammenhang, wo Japanische Wörter in Teils sonst Originalschreibweise gebracht werden, nicht hinein. Aber nur meine Meinung.
Beeindruckt hat mich persönlich übrigens auch die damalige Art der höheren Leute, einander Gedichte als Post zu senden, wo zwischen den Zeilen ganz viel herausgelesen werden konnte. Beispiel:
"Haru naredo Shirane no mi yuki iya tsumori tokubeki hodo no itsu to naki kana
Vielleicht ist schon Frühling, doch an den Hängen des Shirane liegt noch immer tiefer Schnee - so bald wird er nicht schmelzen."
- Dieses Gedicht Murasakis ist eine ablehnende Reaktion, eine Absage an das Werben eines Mannes bzw. eine Absage, als er sie Besuchen will.
Übrigens möchte ich an dieser Stelle noch etwas von der ersten Seiten-Beschreibung klarstellen: Der Satz "Ein atmosphärisch dicht gewebter historischer Roman aus dem alten Japan, der einen Einblick in das Leben und die Rolle der Geishas gewährt." ist falsch. Murasaki war eine Hofdame, keine Geisha. Der Beruf der Geisha kam erst viel später auf, wenn auch seine Wurzeln noch viel weiter zurückliegen und bis zur Heian-Zeit reichen. Allerdings hieß der "Job" damals anders und lief auch anders ab, was nichts mit den heutigen Geisha in der Form zu tun hat.
Ganz am Ende des Buches war ich auch über die ein oder andere Wendung traurig, bzw. konnte mich hin und wieder in die Figur(en) gut einfühlen. Trotzdem finde ich das Ende bzw. ganze Buch gut gelungen.
Ich konnte mich nicht entscheiden, daher hier mehrere Zitate:
- "...Wenn man andererseits auf jemanden trifft, der einem völlig fremd ist, wirkt zwar alles neu an ihnen, aber es gibt auch keine verbindenden Erfahrungen. Man verbringt viel Zeit damit, im Geiste ein Netz auszuwerfen, und hofft, irgendeine gemeinsame Empfindung oder Erfahrung einzufangen, aber es kostet große Anstrengung. Ich fand es viel aufregender, in dieser exotischen jungen Schönheit, die zu uns auf Besuch gekommen war, nach einem Schimmer jenes Kindes zu suchen, das ich einst gekannt hatte."
- "[...] jene, die innerhalb des Kaiserpalastes wohnen, sind nicht unbedingt so viel besser als wir, sondern bei ihnen ist einfach alles größer- das Maß ihrer Verrücktheiten wie das ihrer Tugenden."
- "Ist es nicht seltsam - im Rückblick sind die vielen Stunden, die wir Palastdamen in unseren Räumen mit Reden, Essen und Klagen über die Langeweile verbracht haben, die Zeit, nach der ich mich am meisten sehne." (Sei Shōnagon, Autorin des berühmten Kopfkissenbuch im Laufe des Buches zu Murasaki)
- "Mein Leben glich nun eher dem langsamen Schleichen der gestreiften Baumschnecke, die ihre zarten Fühler ausstreckt, und nicht mehr den unablässig zirpenden Zikaden, denen wir im Palast so ähnlich gewesen waren."
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* Unbezahlte Werbung / selbst getestet & selbst gekauft.
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