Allgemeine Infos:
Titel: "Kiharu - Memoiren einer Geisha"
Originaltitel: "Edokko geisha ichidaiki" ["Biography of an Edo geisha"]
Autor: Kiharu Nakamura
Übersetzung: Aus dem Japanischen von Kimiko Nakayama & Ursula Gräfe
Erscheinungsdatum: 1997 (D), 1983/84/87 (Jp)
von mir rezensierte Auflage: 1997er Auflage (Originalausgabe)
Originalpreis: nicht mehr rekonstruierbar (damals noch DM);
heute gebraucht noch zu verschiedenen Preisen erhältlich
Verlag: Europaverlag München-Wien
Umfang / Buchart: 460 Seiten, Hardcover mit Umschlag
Genre: Geisha-Autobiografie
ISBN: 3-203-80500-6
Info: 1999 auch als Taschenbuch bei Lübbe erschienen (mit 2 verschiedenen Covern).
Buchrücken:
"Die Geisha ist der Inbegriff traditioneller japanischer Kultur - aber niemand weiss, wie ihr Leben wirklich aussah. Die Geisha Kiharu schildert erstmals die strengen Regeln und den Zauber einer versunkenen Welt. Ihr abenteuerlicher Weg von Tokio über Indien bis nach New York wird zum Portrait einer Frau, die nie aufgibt."
Beschreibung auf der Bucheinbandklappe:
"Morgens geht Kiharu in Zöpfen und Matrosenkleid durch Tokios Straßen zur Schule, am Abend besucht sie glanzvolle Parties - im kostbaren Seidenkimono und festlicher Shimada-Frisur. Kiharu ist eine Geisha. Ihre Erinnerungen lassen eine versunkene Kultur wieder auferstehen: exotisch, dekadent, aufs Äußerste verfeinert. Die junge Geisha übt sich im Tanz, den uralten Traditionen der Teezeremonie und der geistreichen Konversation, um ihre Kunden zu erfreuen. Aber Kiharu will mehr: bald ist sie die einzige Geisha, die Englisch spricht, so daß sie auf Empfängen ausländische Gäste betreuen darf. Cocteau, Charles Chaplin und Jascha Heifetz sind unter denen, die sie bezaubert. Kiharu ist erfolgreich - zu erfolgreich. Im heraufkommenden Faschismus verlangt die Polizei von ihr, ihre hochgestellten Kunden zu bespitzeln. Zwanzigjährig gibt Kiharu ihren Beruf auf, heiratet einen Diplomaten und folgt ihm nach Indien. Ihre Künste sind auch hier von Nutzen: als >>japanische Mata Hari<< hilft sie indischen Freiheitskämpfern. Der Krieg verschlägt sie zurück nach Japan. Allein auf sich gestellt, erkämpft sie sich eine Stellung als >>Geisha-Dolmetscherin<<. Doch ihr Mann verstößt sie. Kiharus Welt ist unwiederbringlich zerstört. Sie wagt den Schritt ins Unbekannte: nach Amerika. In der Neuen Welt kann Kiharu ihre alten Künste einsetzen: ihr Geschäft wird schnell zum Salon für Auslandsjapaner, sie berät Museen und Künstler. Und sie ist sechzig, als sie sich erneut verliebt - in einen jungen Sänger... Kiharus Autobiographie ist einmalig: nie zuvor hat eine Geisha das Leben ihres so ungewöhnlichen wie hoch geachteten - und im Westen oft missverstandenen - Standes beschrieben: eine Kultur, um die sich Mythen des alten Japan ranken."
"Kiharu Nakamura ist 1913 in Tokio geboren. Sie war Geisha, Diplomatengattin in Indien, Übersetzerin, Japan-Beraterin für Museen und Opernhäuser in den USA" (aus dem Buch) Ergänzung: Ihr eigentlicher Name war Kazuko Yamamoto und sie stammte ursprünglich aus Hokkaido, als Kind ist ihre Familie nach Tokyo umgezogen, mit 15 ist sie der Shimbashi Geisha Association beigetreten. Am 05.01.2004 ist sie 90-Jährig verstorben in New York.
Meine Meinung:
Kiharu beginnt ihr Buch mit "Warum ich dieses Buch geschrieben habe". Danach ist das Buch in 3 Teile eingeteilt, denn im Original sind es tatsächlich 3 Bücher, die veröffentlicht wurden (aber die sich in der deutschen Fassung in einem Buch befinden). Der erste Teil widmet sich ihrem Leben als Geisha, der zweite Teil spielt während des zweiten Weltkrieges und der Zeit danach. Und der dritte Teil widmet sich ihrem Leben in Amerika.
Ein Bekannter ermuntert die ehemalige Geisha Kiharu, ein Buch über ihr Leben zu schreiben, was sie freundlich ablehnt. Als sie jedoch bei Freunden auf einer Feier auftreten soll neben einer Musikerin, sagt diese, sie wolle nicht neben einer "Prostituierten" sitzen. Getroffen von den Worten beschließt Kiharu, doch über ihr Leben als Shimbashi-Geisha zu schreiben, um einiges klar zu stellen. Und so berichtet sie in ihrem (ersten) Buch episodisch aus ihrem Leben. Von Engagements, Kunden, ihrer Jonglage zwischen Schule und Geisha-sein, wie oder warum sie Geisha geworden ist, von Lieblings- und Stammkunden oder schließlich auch, wie sie als Geisha aufhörte, weil man sie als Spionin verwenden wollte. Sie heiratet einen Diplomaten und geht mit ihm nach Kalkutta (Indien), berichtet von dem dort so anderen Leben und schließlich auch dem Internierungslager, in dem sie landen. Letztlich kehrt sie allein zurück nach Japan.
Von ihrem Leben während des 2. Weltkriegs handelt das zweite Buch: Sie berichtet von ihren Versuchen, während des Krieges ein Baby sowie zwei alte Verwandte zu versorgen. Sie beschreibt, wie sie mehrmals Unglücken entgeht und auf das Land flüchtet, um dem Krieg zu entgehen. Sie beschreibt die Problematik des Krieges, oder wie sie immer auf Nachricht von ihrem Mann wartet. Nach dem Krieg kehrt sie zurück nach Shimbashi als Übersetzerin, hilft den Geisha- und Teehäusern- auch, sie überhaupt zu erhalten, denn ihre Existenz wird angezweifelt. Sie berichtet weiter, wie sie ihre Familie zurück nach Tokyo holt, wie sie sich neu verliebt, was für Bekanntschaften sie macht und was sie so erlebt im Umgang mit anderen Menschen, denn Kiharu ist weit bekannt und hilft, wo sie kann. Dass das nicht immer alles so einfach und erträglich ist, zeigt sich etwa daran, dass ihre Mutter und Großmutter ihr mit zunehmenden Alter das Leben schwer machen. Kiharu entdeckt sich jedoch immer wieder neu, etwa arbeitet sie auf Modeschauen, gab Englischunterricht, arbeitete im Schöheitssalon.
Schließlich verschlägt es sie ganz alleine nach Amerika und von dem Leben dort handelt ihr drittes Buch: von ihrem eigenen Geschäft, ihrem Model-sein auf Messen und an Kunstschulen, oder ihrer Zeit als Gastdozentin an Schulen und Universitäten. Es gibt gefühlt nichts, wo sie nicht gearbeitet hat, auch etwa im Blumenladen, Restaurant und als Opernberaterin. Auch in Amerika kommt sie herum, lernt viele Menschen kennen und erlebt so einiges: etwa lernen sich durch sie diverse Menschen kennen und sie verhilft dem ein oder anderen zur großen Liebe, aber sie macht auch schlechte Erfahrungen, etwa, als sie ihren Sohn nach Amerika holen will. Immer wieder ist im Buch ihre Liebe zu Amerika und den Menschen dort herauszuhören, während sie sich auch immer wieder über die Gesellschaft in Japan beschwert.
Ich weiß teilweise, was sie meint bzw. kann es nachvollziehen, allerdings ist es teilweise doch auch traurig als Leser zu sehen, wie viel Bitterkeit sie da mit sich bringt (denn es gibt auch gute Seiten an Japan, die sie jedoch nicht sieht/sehen mag), immerhin ist sie bis zu ihrem Tod lieber in Amerika geblieben (oft habe ich mir jetzt gedacht: wie gut, dass sie das heutige Amerika nicht mehr miterlebt, nachdem sie auch beschrieb, wie Amerika sich allein in den 30 Jahren die sie dort lebte, veränderte).
Amüsant war, wie oft sie eigentlich umzog, wie ruhelos sie in ihrem Leben war und wie sie immer von vielen Menschen umgeben war. Oft schreibt sie, dass ihre Arbeit im Grunde etwas ganz Besonderes war und sie immer das Meiste erreichte, etwa ihre Spenden sammelnden Geishas das meiste Geld einnahmen, ihr Messestand besonders besucht oder ihr Tisch im Restaurant der Beliebteste war. Ist das Selbstbewusst, selbstdarstellend, gar arrogant; hatte sie das "Besondere Etwas" oder einfach nur Glück im Leben..? Davon muss der Leser sich selbst ein Bild machen. Als selbstbewusst, stolz, frech und mutig würde ich sie auf jeden Fall bezeichnen.
Vergleich von Geisha-Büchern
Amüsant war für mich manchmal zu lesen, dass sie eigentlich nur rund 10 Jahre in dem Beruf gearbeitet hat, im Internet aber Artikel kursieren, die über sie berichten, etwa mit dem Titel "Die letzte Geisha" (vgl. WELT-Artikel, externer Link). Dabei stammt sie nicht aus den ursprünglichen, traditionellen Geishavierteln Kyōtos und schreibt selbst im Buch, dass sich das "wahrscheinlich" (sicher war sie sich nicht, weil sie in Kyōto nie mit Geikos Kontakt hatte) unterscheidet. Sie war für ihre Zeit eine große Frau die viel erreicht, gemacht und erlebt hat, allerdings würde ich sie nicht als "letzte Geisha" bezeichnen. Das würde wahrscheinlich jede große Geisha ihrer Zeit von sich sagen. Und auch von anderen Geishas las ich schon "die letzte Geisha". Ein sehr weiter Begriff also. Schade war für mich persönlich, dass sie die ganze Zeit stolz auf ihr Shimbashi-Geisha-Sein ist und den Leuten das Bild darüber ja eigentlich "zurechtrücken" wollte, aber letztlich... erzählt sie doch eher wenig über das Leben als Shimbashi-Geisha. Es bleibt oberflächlich und geht nicht tiefer auf die Welt der Geisha in Shimbashi ein. Ich habe es mir gerne mit dem Buch von Mineko Iwasaki ("Die wahre Geschichte der Geisha" - Link führt zu meiner Buchrezension auf dem Blog) verglichen. Beide haben in verschiedenen Städten als Geisha gearbeitet- Shimbashi (Kiharu) und Kyōto (Mineko); aber auch in völlig verschiedenen Zeitaltern gelebt. Kiharu war ab 1929 mit 16 Geisha, Mineko gab ihr Debüt als Maiko erst 1965. Zwischen den beiden liegt also einiges an Unterschieden. Während Mineko in ihrem Buch über das Leben der traditionellsten Geisha von Gion Kobu, in Kyōto nach dem 2. Weltkrieg berichtet, hat Kiharu diesen noch miterlebt. Bei der Beschreibung ihrer Engagements klingt es oftmals ganz anders als bei Mineko, etwa schreibt Kiharu von Hakobeya - eine Art Garderobe und Aufenthaltsraum während der Engagements, 50 Tatami groß mit 10 oder mehr Hibachi (Kohlebecken), in der die Geishas mit anderen Künstlern, auch Männern, beisammen saßen. Oder sie beschreibt, dass 18-21 Uhr Engagements in förmlichen, bodenlangen Kimono abgehalten werden, ehe 21 Uhr die Hausdiener kamen und Wechselkleidung brachten: nun waren kürzere, gemusterte und kreppseidene Kimono erlaubt, (also sie durfte in weniger förmlicher Kleidung weitermachen). Kiharu schreibt von Bootspartien, Künstlern ihrer Zeit und Stars aus dem Westen, die sie traf. Allerdings beschreibt sie auch, dass sie ihre Unschuld an einen Minister verlieren sollte und beschreibt so vermutlich die Mizuage, wie Arthur Golden sie sich später in seinem Roman vorstellt. Noch heute ist (je nach Quelle) nicht ganz klar, ob diese rituelle Defloration nur bei den Kurtisanen stattfand oder auch bei den Geishas in früherer Zeit (bei Mineko war dies schon nicht mehr Thema), da sind selbst Historiker gespalten. Apropos Kurtisanen: Kiharu hat noch die Kurtisanen, die Oiran von Yoshiwara, persönlich erlebt und beschreibt dies ebenfalls im Buch. Kiharu interessiert sich sehr für den Westen und das Moderne, kleidet sich oder tanzt entsprechend der damaligen Mode, und schwärmt von den damaligen Errungenschaften, wie aufkommende Spukhäuser, Autos oder Flugzeugen, sie nimmt sogar Flugstunden. Bei ihr wirkt insgesamt alles irgendwie zwangloser; natürlich berichtet sie auch von einigen Regeln und Etikette, aber auch von Banketten ohne Perücke und Schminke oder mit ausgelassenen, westlichen Tänzen. Sie spielt zwar gerne Shamisen, aber die Liebe zum Tanz, dem Kimono oder anderen traditionellen Elementen der Geisha beschreibt sie weniger ausführlich als Mineko. Es ist mehr eine sporadische Sammlung verschiedener Erinnerungen, episodisch, nicht wirklich in chronologischer Reihenfolge. Das hat mir bei Mineko besser gefallen, die nicht nur bei ihrer Kindheit beginnt und beim Leben nach der Karriere endet. Kiharu dagegen beginnt eher mittendrin hier und da zu bestimmten Themen, zwischendurch kommt mal ein Kapitel zu ihrer Kindheit, dann mal zu ihrem Geisha-Debüt. Das erste Buch ist zwischenzeitlich etwas durcheinander, bevor es eine Reihenfolge ihrer Lebenserlebnisse wird. Insgesamt, wer sich für die traditionelle Lebens- und Arbeitsweise der Geisha interessiert, wird bei Mineko mehr erfahren. Sie gibt tiefere Einblicke in Leben und Abläufe einer Okiya (Geishahaus) und dem Karyukai (Geishaviertel), wie ich sie bei Kiharu leider vermisst habe. Kiharu beschreibt mehr einzelne Erlebnisse mit Menschen, die ihr begegnet sind. Die Namen ihrer vielen Gäste etwa waren irgendwann auch ein bisschen verwirrend, weil es so viele waren. Das heißt allerdings nicht, dass sie gar nicht über Abläufe aus ihrer Geisha-Zeit schreibt. Etwa ihr Geisha-Debüt liest sich sehr interessant, da es anders als Minekos ist, die von einer Maiko zur Geiko aufstieg (Maiko gibt es nur in Kyōto, in Tokyo hieß und ist es anders). Für Kiharus Ohirome (Debüt) etwa wurden ihre Namen in den Kittel des Rikschafahrers und die Uniform des Hakoya (Ankleiders) eingefärbt und die Wappen der Geisha aufgetragen. Es finden sich immer wieder mal Ähnlichkeiten zu den Kyōtoer Geikos, aber dann ist doch auch wieder einiges verschieden. Für weiteres Interesse an der Geisha-Welt empfehle ich neben Minekos Buch auch das Buch von Liza Dalby, "Geisha".
An Kiharus Buch hat sich auch Arthur Golden mit seinem Buch "Die Geisha" (Link führt zu meiner Buchrezension im Blog) orientiert bzw. inspiriert, er dankt ihr für ihr Buch in seiner Danksagung. Das merkt man in seinem Buch u.a. daran, dass seine Geschichte etwa zur selben Zeit spielt. Seine Hauptfigur Sayuri lebt ungefähr zu der Zeit im Geishaviertel, als Kiharu Geisha ist. Wahrscheinlich hat er sich sehr für die Zeit des zweiten Weltkrieges an ihr inspiriert (und die Geschichte mit der Mizuage). Der Verkauf von armen Kindern an Geisha-Häuser, wie es in seinem Buch zu der Zeit vorkommt, wird von Kiharu im Buch jedoch als 'vor langer, langer Zeit' beschrieben und auch nur für die Freudenviertel wie Yoshiwara und nicht für die Geisha-Viertel ihrer Zeit.
- "Wenn ich zurückblicke, muß ich jedoch feststellen, daß alle traurigen Erfahrungen sich letztlich zum Guten wendeten. Eigentlich habe ich die Leben von fünf Frauen gelebt... Doch das alles ging mir erst auf, nachdem ich schon dreißig Jahre in Amerika lebte."
- "Ich sage häufig, daß mein Leben Ähnlichkeit mit einem Schneeball hat. Je länger und weiter er rollt, desto mehr Schnee bleibt an ihm haften und schützt das Innere. Jede Schicht hat ihren speziellen Nutzen. Wohin ich auch gehe, ich habe immer Glück."
- "In Shimbashi mussten die Geisha-Anwärterinnen in einer der Disziplinen besondere Leistungen vorweisen. Das konnte Shamisen, Kiyomoto-Gesang oder Tanz im Nishikawa-Stil sein."
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