"Die wahre Geschichte der Geisha" - Buchrezension


Allgemeine Infos:
Titel:
"Die wahre Geschichte der Geisha"
Originaltitel: 
"Geisha, A Life" 
Autor:
Mineko Iwasaki mit Rande Brown
Erscheinungsdatum: 2002 (Engl), 2003 (D)
Originalpreis: 9,00€ (D)
Verlag: Diana Verlag
Genre: Geisha Autobiografie
ISBN: 9783453873612


Buchrücken:



"Mineko Iwasaki war mehr als ein Jahrzehnt Japans berühmteste Geisha. In ihrer Autobiografie enthüllt sie nun als erste Geisha die wahren Geheimnisse ihres Standes und schreibt darin über den Stolz der Frauen auf ihre künstlerischen Fähigkeiten. Im Alter von nur fünf Jahren verlässt sie ihr Elternhaus, um unter der Obhut einer strengen Lehrerin die dreihundert Jahre alte Tradition der Geishakunst zu erlernen. Es ist der ergreifende Bericht einer Frau, die nie eine Kindheit hatte."
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Wichtige Charaktere aus Minekos Leben:
!Ich gebe mir Mühe, nicht zu sehr zu Spoilern, aber es kann nicht ausgeschlossen werden ab hier!
Minekos leibliche Familie:

Masako / Mineko Iwasaki: Hauptperson, aus deren Sicht das Buch geschrieben ist. Als jüngstes Kind am 02.11.1949 geboren.
Shigezo Tanakaminamoto - ihr Vater. Stammt aus einer alten Adelsfamilie, der Urgroßvater gab seinen Adelstitel jedoch auf, wodurch es keinen Wohlstand mehr gab. Er ist professioneller Kimonodesigner und Schätzer für Porzellan. Muss seine verarmte Familie mitunterstützen, weshalb er mit den Okiyas für die älteren Töchter eine Vereinbarung trifft.
Chie Akamatsu - ihre Mutter. Stammt aus einer legendären Piratenfamilienlinie, die nie einem Daimyo dienten und genug eigenen Besitz hatten. Auf Streifzügen häuften sie ein Wissen über Heilkräuter an und vererbten dies. Lernte Minekos Vater im Kimonogeschäft kennen. Hat mit ihm 11 Kinder, leidet an Malaria.
Großmutter Yaeko - Mutter ihres Vaters, fechtet gern und kommt nicht mit ihrer Schwiegertochter zurecht
Schwestern: Yoshiko, Tomiko, Yukiko
Brüder: Seiichiro, Ryozo, Kozo, Fumio

Schwestern, von denen Mineko lange nicht wusste:
Yaeko / Yaechiyo - Minekos älteste Schwester. Geht 1935 mit 10 Jahren in die Okiya. Ist deshalb Zeit ihres Lebens wütend und verbittert. War als Atatori vorgesehen, aber nicht zuverlässig. Verließ die Okiya wegen einer Hochzeit ohne ihre Schuldenabzahlung, kam jedoch eines Tages wieder geschieden mit 2 Kindern zurück. Wird zu Minekos Enttäuschung auch in der Okiya ihre "ältere Schwester" als Maiko
Kikuko - Zweitälteste Schwester Minekos, auch in der Okiya.
Kuniko - drittälteste Schwester. Assistentin von Aba / Haushälterin. Ist 21, als Mineko einzieht. Mineko mag sie sehr. Fürsorglich und liebenswert, aufgrund ihres Äußeren keine Maiko geworden.

Personen aus der Okiya-Welt:
Madame Oima / "Tantchen" - die Besitzerin der Okiya, die unbedingt eine Nachfolge (Atatori) sucht
Taji / "Aba" ('kleine Mutter') - verheiratet mit dem Bruder von Tantchen. Kümmert sich um Mahlzeiten, Kleider, einkaufen, putzen der Okiya, lebt aber mit ihrem Mann extra.
Masako/ "Böse Alte" -  Kind aus einer Affäre von Yoneyu (ehemalige, berühmte Geisha der Okiya Iwasaki) und einem Erben eines Konzerns. Mineko nennt sie böse Alte, weil sie sich anderen gegenüber so verhält. War als Atatori der Okiya vorgesehen, aber aufgrund ihres Charakters ungeeignet.
Mutter Sakaguchi - Über Ecken ist ihre Familie mit Tantchens Familie verwandt und die Okiya Iwasaki ein Zweigunternehmen der Okiya Sakaguchi. Sie hilft Tantchen u.a. bei wichtigen Entscheidungen.
Die Iemoto/ Yachiyo Inoue IV / Aiko Okamoto Großmeisterin der Tanzschule.  Die Inoue-Schule gilt als beste Schule für traditionellen Tanz in Japan
Onkel Hori - gibt Mineko Kalligraphieunterricht. Seine Tochter dagegen gibt ihr Unterricht in Gesang, Koto und und Shamisen.
Suehiroya - Minekos Ankleider, den sie mit 15 bekommt
Kaa-chan & Suzu-chan - Dienerinnen der Okiya
Masayuki - Sohn von Yaeko, Minekos Cousin und guter Freund, der verunfallt
Mamoru - weiterer Sohn von Yaeko, der sich übergriffig zeigt
Yuriko - Geisha, gute Freundin von Mineko
Toshio / Shintaro Katsu - berühmter, japanischer Schauspieler, mit dem Mineko lange eine Affäre hat
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Hintergrundinformationen zur Buchentstehung

Das vorliegende Buch von Mineko ist aus einem bestimmten Grund entstanden: 1997 erschien das Buch "Die Geisha" von Arthur Golden (Link führt zu meiner Buchrezension im Blog). In seiner "Danksagung" zum Buch schreibt Golden ein ausführliches 'Danke' auch an Mineko Iwasaki, die ihm ihre Welt geöffnet hätte während eines Interviews. Damit verstieß Golden jedoch gegen eine mündliche Abmachung zwischen den beiden: Sie wollte nicht namentlich genannt werden. Mineko
 wiederum zeigte sich darüber entsetzt, denn als eine der erfolgreichsten Geisha ihrer Zeit fühlte sie sich betrogen: die Welt der Geisha ist verschwiegen mit ihren alten Geheimnissen und Traditionen. Statt ihren Wunsch zu respektieren, hat Golden ihn einfach übergangen. Sie hat versucht ihn daraufhin zu verklagen, weil er sie nicht nur gegen ihren Willen erwähnt, als Inspirationsquelle benutzt und in ihrer Welt in ein schlechtes Licht gerückt hat (und damit auch noch Geld verdiente), sondern auch, weil er seine Charaktere stark an die von ihr erzählte Lebensgeschichte angepasst habe. Gleichzeitig stritt sie einige Dinge aus seinem Buch ab. Zeremonien, Gebräuche, Rituale aus der Geishawelt seien auf eine Art und Weise dargestellt, die nicht der Wahrheit entsprächen.
Etwa die Mizuage, die Golden im Buch als ersteigerte Defloration (Entjungferung) der Geisha darstellt, bestreitet Mineko stark, so erlebt zu haben. Zu diesem Thema habe ich dann ebenfalls recherchiert und sowohl beides gefunden: auch andere Geisha-Experten meinen: Bei den Geisha dieser Zeit gab es keine Versteigerung der Entjungferung, dass was Golden beschreibt, stellt eine Praxis der Kurtisanen (Oiran, Taiyuu) dar, die er im Buch ebenfalls erwähnt, aber nicht näher erklärt werden (Die Prostituierten, die ihre Obigürtel vorn knoten). Es gibt aber auch Quellen die besagen, bis 1958 habe diese Praxis auch bei Geisha stattgefunden. Es ist nicht schlüssig, was nun stimmt. Mineko selbst ist erst 1949 geboren, ihre Karriere fand also später statt, als der Roman spielt. Seit mindestens zu jener Zeit also und heutzutage ist eine Mizuage jedenfalls nicht mehr eine sexuelle Defloration.
Auch, von ihren Eltern an eine Okiya verkauft worden zu sein, bestritt Mineko. 
Ihre Schadenersatzklage ist jedoch (leider) abgewiesen worden. Golden behauptete immer, er könne sich an 'keine mündliche Vereinbarung erinnern'. Mineko entschied sich schließlich dafür, ihre eigene Biographie als Buch zu veröffentlichen.

Die Geisha vs. Die wahre Geschichte der Geisha
Ich finde, man sollte auch wirklich beide Bücher gelesen haben, um Wahrheit und Fiktion zu sehen. Golden zeichnet eine wunderbar exotische Welt in seinem Roman, die jedoch grausam mit ihrer Hauptperson umgeht. Mineko drückt sich in ihrem Buch nicht so poetisch aus wie er, erklärt jedoch die Abläufe in einem Geishahaus viel genauer und beleuchtet ihre Liebe zum Tanz mehr, als das im Roman von Golden der Fall war. Sie sagt und erklärt, wie es wirklich ist, während er eine bunte Welt bastelt und mit den gehörigen Portionen Liebe, Hass etc. würzt. 

Aber es kommt auch zu ähnlichen Szenen, wo Golden sich eindeutig von Minekos Leben hat inspirieren lassen. Etwa wird in beiden Büchern ein Kimono mit Farbe zerstört und das sorgt für großes Aufsehen. Wenn man beide Bücher liest, merkt man schon die verschiedenen Settings, die Handlungen klaffen auseinander und sollen das vermutlich auch. Und trotzdem merkt man die Ähnlichkeiten, in Charakteren oder Beschreibungen aus der Geishawelt. Golden kann nicht abstreiten, sich nicht doch sehr hat inspirieren lassen. Und das nicht nur von ihrer Geschichte. 

Einige Beispiele der Ähnlichkeiten:
- Goldens Charakter "Hatsumomo" ist eindeutig von Minekos Schwester Yaeko inspiriert
- auch er baut ein "Tantchen" in seinem Roman ein
- Minekos Schwester Yaeko nennt ihre Schwester Kuniko u.a. gehässig "Kürbisgesicht". Bei Golden wird eine Maiko immer von allen als "Kürbisköpfchen" bezeichnet
- Minekos Geisha-Freundin Yuriko wurde in einem Fischerdorf geboren. Ihre Mutter starb früh, der Vater im Fischereigeschäft tätig, gab sie zu Verwandten, die sie ins Vergnügungsviertel Shimabara verkauften, wo sie Prostituierte werden sollte, dann aber doch noch in eine Okiya kam. Goldens Hauptfigur Sayuri erlebt das ziemlich genau so: sie wächst in einem Fischerdorf auf, die Mutter stirbt als sie jung ist, der Vater ist Fischer und verkauft sie und ihre Schwester schließlich an je ein Freudenhaus und eine Okiya
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Vergleich zu anderen Geisha-Büchern
Es gibt nicht viele andere Bücher aus der Welt der Geisha, auch von Geisha, die dazu auch übersetzt worden sind.
  • Ebenfalls ein Werk über ihr Leben geschrieben hat die Geisha Kiharu ("Kiharu - Memoiren einer Geisha". Link führt zur Rezension auf meinem Blog). Der Unterschied zu Kiharu ist jedoch recht groß: Kiharu war vor zeitlich Mineko Geisha, 1929 war sie im Alter von 16 Jahren Geisha, während Mineko 1949 geboren wurde und 1965 als Maiko debütierte. Kiharu erlebte den 2. Weltkrieg aktiv mit, Mineko nicht. Kiharu war außerdem eine Shimbashi-Geisha, also in Tokyo tätig, Mineko dagegen in Kyoto, wo es die Maiko gibt (In Tokyo gibt/gab es auch Auszubildende Geisha, die Maiko sind jedoch einzigartig für Kyoto). Kiharu beschreibt ihre Tätigkeit als Geisha schon anders als Mineko, sie gibt weniger ausführliche Einblicke in das System, in die Karyukai. Mineko beschreibt zwar auch, was vor und nach ihrem Leben als Geisha geschah, aber hauptsächlich geht es um ihr Leben als Geisha. Kiharus Buch dagegen teilt sich in 3 Teile, wovon sich nur der erste Teil mit ihrem Leben als Geisha befasst, bevor es danach um ihr weiteres Leben geht (auch, wenn sie später als Übersetzerin nach Shimbashi zurückkehrt).
  • Auch ein Buch geschrieben hat die Geisha Masuda Sayo, (Link führt zu meiner Rezension), mit 12 Jahren (um 1936/37, ebenfalls vor Mineko) wird sie an ein Geishahaus in Kamisuwa (also ebenfalls nicht Kyoto) verkauft und erlebt eher solche Zustände, wie sie in Goldens Buch beschrieben werden. Sie schildert in ihrem Buch ihr ganzes Leben, nicht nur ihr Geisha-Leben (was recht kurz gefasst wird). 
  • Wer sich für die Geishawelt genauer interessiert, ist mit Minekos Buch meiner Meinung nach noch am Besten beraten was den Umfang des Themas betrifft. Ebenfalls umfangreich, aber als Ausländerin (die eine Zeit lang unter Geisha gelebt und sie erforscht hat) über die Geisha geschrieben hat Liza Dalby (Link zur entsprechenden Buchrezension auf meinem Blog).
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Meine Meinung:
Mineko Iwasaki erzählt im vorliegenden Buch von ihrer schillernden, so außergewöhnlichen Karriere und ihrem wahren Leben als begehrteste Geisha ihrer Zeit:
Mineko (damals noch Masako) hat eine schöne Kindheit mit all ihren Geschwistern und lieben Eltern, bis eines Tages eine Frau in ihr Zuhause kommt. Als sie die kleine Masako entdeckt, ist sie von ihr absolut angetan: Madame ("Tantchen") Oima, Besitzerin einer Okiya (eines Geisha-Hauses), sieht in der 3-Jährigen etwas ganz Besonderes und möchte sie gerne zur Nachfolgerin (Atatori). Minekos Eltern sind dagegen, aber mit den häufigen Besuchen kommt es irgendwann dazu, dass Mineko die Okiya nicht nur immer öfter besucht, sondern mit 5 Jahren schließlich freiwillig ganz einzieht. In der Okiya wird sie von Tantchen Oima vergöttert, gut behandelt und erfährt nach und nach die Abläufe und Ränge des Hauses. Tantchen erzählt ihr die Geschichten der Bewohnerinnen und auch, wie es der Okiya etwa im 2. Weltkrieg erging. Sie lernt dort etwa auch erst einmal ihre drei älteren, leiblichen Schwestern Yaeko, Kikuko und Kuniko kennen, die sie vorher nicht einmal kannte.

Mit 6 Jahren beginnt sie ihre Aufgaben als Atatori, geht fortan zur Schule und erhält Tanzunterricht, den sie über alles liebt. Mineko gibt im Buch nicht nur in die täglichen Abläufe der Okiya und dem Viertel Einblick, sondern auch in ihre Ausbildung. Welche Regeln es zu befolgen gibt, was sie alles lernt- und gibt Beispiele. Etwa, wie man als Geiko eine Tür ordnungsgemäß zu öffnen hat (nicht so leicht, wie es sich anhört). Sie beschreibt die Beziehungen innerhalb eines Geishaviertels und ihre Liebe zum Tanz. Beschreibt etwa, wie es innerhalb der Tanzschule zugeht, wie der Unterricht abläuft, wie man die Großmeisterin einer Tanzschule wird. Sie gibt detailliert Einblick in ihr eigenes Leben und auch die Tagesabläufe vor ihrem Leben als Geisha, zeigt auf, was ein Debüt zur Maiko (Lehrlings-Geisha) alles bedeutet und zeichnet ihren Weg von der Minarai (Stufe vor der Maiko), zur Maiko und schließlich Geiko auf. Sie beschreibt die vielfältige Ausbildung und Arbeit einer Geisha, den Zusammenhang und Ablauf eines Ochaziki (Banketts) in den Ochaya (Teehäusern) und welche Berufe rund um eine Geisha ebenfalls an ihrem Erfolg teilhaben bzw. benötigt werden.

Sie spricht dabei auch ehrlich über ihre Meinung zu anderen, als auch über eigene Verfehlungen. Auch über gute Verbindungen im Viertel und Lieblingskunden. Allerdings beschönigt sie auch nichts dabei, sondern bringt ehrliche Beispiele, in denen ihr auch Hass und Missgunst entgegen schlugen. Im eigenen Viertel unter den Geikos und Maikos, oder gar in der eigenen Familie. Sie erzählt auch von Kunden, die sich daneben benahmen und sogar von Übergriffen auf sie. Witzig dagegen fand ich ihre Begegnung mit Prinz Charles 1970, der sich unbewusst bei ihr einen großen Fauxpas leistete. Sie trifft viele hohe internationale Gesandte, so etwa ist der Minister Henry Kissinger viel aufgeschlossener und interessierter an der japanischem Kultur als Präsident Ford; und das Bankett der Queen ziemlich verklemmt und es ist äußerst amüsant, denn Mineko schafft es, die Queen, die sich Minekos Meinung nach schlecht benommen hat, so zu verärgern, dass sie die Nacht nicht in einem Raum mit ihrem eigenen Mann verbringen will.
Sie berichtet außerdem, wie es in der eigenen Okiya Iwasaki herging, etwa wenn die hauseigenen Geishas der Okiya Ärger machen. Und sie berichtet, was das permanente Arbeiten auch mit ihr körperlich und psychisch gemacht hat. Denn Mineko hat sich jahrelang keinen freien Tag im Jahr gegönnt.


Mineko lässt uns an ihrer ersten großen Liebe teilhaben- und wie sie zerbricht. Außerdem zeichnet sie auf, wie sie zusehends an den strengen Regeln der Karyukai verzweifelt- von ihr angestrebte und gewünschte Veränderungen werden nicht ernst genommen. Über viele Jahre beschwert sie sich u.a. darüber, dass die Maikos kein Englisch lernen (außer sie nehmen private Stunden) und das sie ihren Oberschulabschluss nicht neben der Ausbildung zur Geisha beenden können. Mineko tritt deshalb schließlich im Alter von 29 Jahren von ihrer Karriere zurück- mit ihr unzählige andere Geishas aus Solidarität. Aber auch das bringt keine Veränderung ins System. Mineko beschreibt, was sie nach ihrer Karriere macht, wie sie ihren Mann kennen lernte und was aus einigen der Menschen aus ihrem Leben wurde.

Übrigens erwähnt sie Golden im gesamten Buch nicht einmal. Aber es gibt hier und da dezente Spitzen, wenn man zwischen den Zeilen liest: "[...] kam aus dem Ichirikitei, der berühmtesten Ochaya von Gion Kobu. Eine Reihe wichtiger historischer Begegnungen und Ereignisse haben in den Privaträumen des Ichirikitei stattgefunden, sodass es geradezu eine Legende geworden und häufig Schauplatz von Romanen und Theaterstücken ist. Das hat Gion Kobu nicht immer gut getan. Einige dieser erfundenen Geschichten haben die Vorstellung verbreitet, in Gion Kobu würden Kurtisanen ihrem Gewerbe nachgehen und Geikos die Nacht mit ihren Kunden verbringen. Sobald ein solcher Gedanke einmal ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist, gewinnt er ein Eigenleben. Soviel ich weiß, gibt es in anderen Ländern sogar einige Experten für japanische Kultur, die ebenfalls dieser irrigen Meinung sind." Oder: "[...] In der Folge geriet die allgemeine Vorstellung von den Rollen der oiran (Kurtisane) und der geisha (Unterhalterin) irgendwie durcheinander. Und das ist bis heute so geblieben."
In dem Zusammenhang erklärt sie uns übrigens die Entstehung des Darstellerinnenverbands, dem Kabukai um 1875. Aufgaben des Verbands waren schon damals, die wirtschaftliche Unabhängigkeit & soziale Stellung von Frauen zu verbessern, welche als Künstlerinnen und Unterhalterinnen arbeiteten. Das Motto lautete "Wir verkaufen Kunst, nicht Körper."

Mineko berichtet im Buch immer wieder sehr detailliert, etwa von der Optik ihrer Kleidung oder von Tänzen, denn das Tanzen ist ihre Leidenschaft und deshalb wurde sie auch Geisha. Sie gibt uns viele interessante Hintergrundinformationen, etwa: Bei ihrem Debüt als Maiko wiegt sie knapp 38kg, ihr Kimono fast 20kg. Oder, was für Tricks angewandt worden, damit die Maikos lernen, ordentlich zu schlafen (wegen ihren Frisuren).

Das Buch enthält übrigens mehrere Seiten mit Original-Fotografien aus ihrem Leben. Von wichtigen Menschen aus ihrem Leben, ihr selbst als Kind und später im Verlaufe ihrer Karriere.

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Eine Stelle aus dem Buch:
  • "Jede Geisha ist wie eine Blume, schön auf ihre eigene Art, und wie ein Weidenbaum, anmutig, biegsam und stark. Keine Frau in der dreihundertjährigen Geschichte der Karyukais ist jemals an die Öffentlichkeit getreten, um ihre Geschichte zu erzählen. Ungeschriebene Regeln, die Tradition und die Unantastbarkeit unserer exklusiven Berufung verboten uns das.
    Aber ich habe das Gefühl, dass es an der Zeit ist, mich zu äußern. Ich möchte, dass Sie erfahren, wie das Leben einer Geisha wirklich ist, ein Leben voll höchster beruflicher Anforderungen und reicher, glanzvoller Belohnungen."
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FAZIT:
Selbstbewusst oder selbstdarstellend? Der Leser muss wahrscheinlich selbst entscheiden, wie er Mineko und ihr Leben empfindet. Ich persönlich finde ihre Geschichte unglaublich faszinierend und auch nachdem ich das Buch später erneut las, gefällt mir das Buch immer noch sehr, auch wenn ich es vielleicht anders lese, als noch vor Jahren. Schade finde ich persönlich, wie enttäuscht und ja, wohl auch verbittert sie über die Regeln der Karyukai ist und deshalb schließlich damit bricht. Natürlich ist es ihre Sichtweise, man weiß nicht ob alles genau so gewesen ist, aber ich möchte ihr glauben. Sie gibt einen schonungslos ehrlichen, wichtigen Einblick in die Welt der Geishas. Zeigt, wie sie für die Kunst gelebt hat und bleibt dabei ehrlich und sie selbst. Es ist nicht nur eine absolut interessante Biographie, sondern auch ein wichtiger Einblick in die Abläufe der Karyukais Kyōtos. Wer schon immer mehr über die Geishawelt wissen wollte und vielleicht Arthur Goldens "Geisha" schon gelesen oder als Film gesehen hat, der sollte UNBEDINGT dieses Buch hier lesen. Für mich nach wie vor ein liebstes Geisha-Buch.


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