
Titel: "Der Weg des Samurai - Anleitung zum strategischen Handeln"
Originaltitel: Heihô Kaden Sho (兵法家伝書) (JP),
auch: "A Hereditary Book on the Art of War"; "The Sword and the Mind" (US, 1986)
Autor: Yagyu Munenori
Herausgeber: Hiroki Sato
Übersetzung: aus dem Amerikanischen von Guido Keller
Erscheinungsdatum: geschrieben 1632 von Munenori; herausgegeben von Sato 1985/1986 (US); 2002 (D)
von mir rezensierte Auflage: Ausgabe Febr. 2004
Originalpreis: 8,90€ [D]
Verlag: PIPER Verlag
Umfang / Buchart: 160 Seiten, Taschenbuch
Genre: historischer Ratgeber, Samurai & Kampfsportratgeber
ISBN: 3-492-23631-6
Buchrücken:
"Gewinnen, indem man den Gegner den ersten Schlag vollführen läßt.
In kurzen Kapiteln vermittelt der legendäre Schwertkunstmeister Yagyu Munenori (1571-1646) Wahrheiten, die immer noch Gültigkeit besitzen: Klarheit und Inspiration, Harmonie und Vollendung - das sind die Essenzen der uralten japanischen Schwertkunst, die besonders heute den Weg zu klugem strategischem Handeln in Konflikten und im Wettbewerb zeigen. Ein außergewöhnliches Buch, das den Leser tief mit der spirituellen Lebensart und strategischen Weisheit des edlen japanischen Samurai vertraut macht."
Beschreibung auf der ersten Buchseite:
">>Wichtig ist zu gewinnen, indem du deinen Gegner den ersten Schlag vollführen läßt<< - ein Grundsatz, der bis heute aktuell ist und bereits im 17. Jahrhundert des alten Japan geschrieben wurde. In kurzen Kapiteln vermittelt der legendäre Schwertkunstmeister Yagyu Munenori Wahrheiten, die immer noch Gültigkeit besitzen. Sein Vermächtnis, einst Geheimwissen, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde, liest sich als spiritueller Leitfaden für unser heutiges Leben: Denn der Samurai siegt über den Gegner, ohne zu kämpfen. Er kennt den richtigen Zeitpunkt des Handelns, kann Chancen für sich nutzen, findet überraschende Wege, und sein Herz ist offen. >>Der Weg des Samurai<< schult das strategische Denken und die perfekte Harmonie von Körper und Geist - denn ein befreiter Geist führt zu einem mutigen Umgang mit sich selbst und mit den täglichen Konflikten."
"Yagyu Munenori, 1571 geboren und 1646 gestorben, war einer der angesehensten japanischen Meister der Schwertkunst seiner Zeit. Vom Zen-Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus beeinflußt, hinterließ er - wie Miyamoto Musashi das >>Buch der fünf Ringe<< - seine Lehren schriftlich und schuf damit ein Grundlagenwerk des strategischen Handelns." (aus dem Buch)
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An dieser Stelle ein paar kleine Hintergrundinformationen aus dem Buch:
- Das "Heihô Kaden Sho" (Also "Der Weg des Samurai", das vorliegende Buch) ist "nicht nur eine Anleitung zur Technik der Schwertkampfkunst, speziell der Shinkage-ryu-Schule, die noch heute existiert, sondern vor allem eine Anleitung für die innere Haltung des Kriegers, die in äußerster Vollendung zum Sieg ohne Kampf führt."
- Das Buch entstand 1632. Munenori ließ in seine Schriften seine Kampferfahrungen, aber auch Weisheiten des Zen-Buddhismus und seines Meisters Takuan Soho einfließen
- in dem Buch sind 3 Bücher vereint: Buch 1, 'Die zweischneidige Klinge', Buch 2, 'Die lebensspendende Klinge' und Buch 3, 'Die Schuh-Opfer-Brücke'.
- Das Heihô Kaden Sho wurde innerhalb der Familie Yagyu überliefert & enthält die Ansicht von 3 Schwertkämpfern:
- Kamiizumi Hidetsuna (ca. 1508 - 1588)
- Yagyu Muneyoshi (1529 - 1606)
- Und Yagyu Munenori (1571 - 1646), Sohn Muneyoshis, vor allem von ihm; der das Buch mit seinem in der Familie überlieferten, sowie seinem eigenen Wissen schrieb.
Nach einem Hinweis aus den Originalaufzeichnungen Munenoris ("Was in diesen drei Büchern aufgezeichnet ist, darf dieses Haus nicht verlassen [...]"), folgt ein Vorwort zum Buch, was ich doch recht interessant fand: es fasst kurz zusammen, was uns das Buch vermitteln möchte und wer Munenori war (niemand geringeres etwa als der Schwertkampflehrer von Shogun Tokugawa Ieyasu). Eingeteilt ist 'Der Weg des Samurai' in drei Bücher. Jedes Buch besitzt mehrere kleine Kapitel, die meistens eine Viertel- bis zwei Seiten lang sind:
Buch 1, 'Die zweischneidige Klinge' hat folgende Kapitel:
* Waffen sind unheilbringende Gegenstände
* Das Große Lernen ist das Eingangstor für den Anfänger
* Erschöpfe dein Wissen und meistere alles
* Der Innere und der äußere Geist
* Täuschen
* Trommle aufs Gras und überrasche die Schlange
* Die Chance nutzen, bevor sie auftaucht
* Ken-Tai: Angriffs- und Wartestellung
* Maßnahmen, wenn der Gegner eine Angriffsstellung einnimmt
* Maßnahmen, wenn der Gegner eine Wartestellung einnimmt
* Drei Taktiken
* Folge dem Wandel, gehorche dem Wandel
* Tue so, als würdest du nicht sehen
* Laß dich schlagen, um zu gewinnen
* Drei Arten des Taktschlagens
* Langsamer und schneller Taktschlag
* Den Rhythmus am Anfang verstehen
* Sechs Annäherungen
* Weitere vier Annäherungen
* Dem Geräusch von Wind und Wasser lauschen
* Krankheiten
* Zwei Stufen, um Krankheiten loszuwerden
- Die Einführungsstufe
- Die letzte Stufe
* Das Bewußtsein in natürlichem Zustand
* Sei wie eine Holzfigur
* Befreie den Geist
* Kleine und große Strategien
* Herrschaft und Schwertkampfkunst
* Deinem Fürsten dienen
* Strategisches Denken in allem
Buch 2, 'Die lebensspendende Klinge', hat folgende Kapitel:
* Shuji Shuriken
* Sein und Nicht-Sein
* Suigetsu
* Shinmyôken
* Shin und Myô
* Gehen
* Das Eine Prinzip
* Der eine Fuß
* Das endgültige erste Schwert
* Unterschiede
* Kämpfen
* Drei Stufen beim Erkennen der Position des Schwertes
* Der Geist und der Mond
* Anwendung des obigen Verses
* Voreiliger Angriff
* Den Geist zurückziehen
* Ikkyo, Leere und konzentrierter Geist
* Erleuchtung und der Weg
* Wahrer und falscher Geist
* Zen und der Geist
* Mutô oder Nicht-Schwert
* Daiki Taiyū
* Wachsamkeit
* Großes Yû
* Ki, die Tür und der Geist
* Veränderlicher Geist
* Schwertkampfkunst Buddhismus
* Lung-chis Worte
* Wirf selbst das Wahre Gesetz ab
Buch 3, 'Die Schuh-Opfer-Brücke', beinhaltet folgende Kapitel:
* Das Buch der Shinkage-Schule der Schwertkampfkunst
- Die Drei Elemente
* Die Ersten Fünf Arten
- Ittô Ryôdan: Den Gegner mit einem Schlag halbieren
- Zantei Setsutetsu: Nägel zerschneiden, Stahl durchtrennen
- Hankai Hankô: Sich teilweise zuwenden
- Usen Saten: Sich nach rechts drehen, sich nach links wenden
- Chôten Ichimi: Lang und kurz sind eins
* Die Neun Arten
- Hisshô: Sicherer Sieg
- Gyakufû: Seitenwind
- Jûtachi: Kreuzförmiges Schwert
- Kaboku: Erweichen
- Shôkei: Abkürzung
- Kozume: Schwierige Abwehr
- Ôzume: Große Abwehr
- Yaegaki: Achtfaches oder doppeltes Fechten
- Murakumo: Aufziehende Wolke
* Die Acht Kobold-Techniken
- Kasha (oder Kôrinhô): Blumenrad
- Akemi (oder Fûgenbô): Offener Körper
- Zentai (oder Tarôbô): Warten
- Tebiki (oder Eiibô): Fallenstellen
- Ranken (oder Shutokubô): Wildes Schwert
- Jo (oder Nigusoku oder Chiraten): Einführung
- Ha (oder Uchimono oder Karanbô): Entwicklung
- Kyû (oder Futarikake oder Konpirabô): Finale
* Die sechs überlegenen Manöver
- Tensetsu Ransetsu: Nahe Hiebe, wilde Hiebe
- Gokui: Meisterschaft
- Muniken: Unvergleichliches Schwert
- Katsuninken: Leben gebendes Schwert
- Shinmyôken: Heiliges Schwert
- Listen aushecken in den Zelten
- Jo, Ha, Kyû
Anschließend folgt ein "Nachwort des Herausgebers" zu den Autoren der drei Bücher, ihre Leben und die damalige Zeit. Er ordnet alles noch einmal für uns zeitlich ein und bringt Hintergrundinformationen ein.
Darauf folgen die "Anmerkungen", hier werden die kleinen, im Text untergebrachten Zahlen¹ alle der Reihe nach aufgelistet und erläutert.
Abschließend gibt es noch die Danksagung, die "Chronologie des Yagyu-Clan" und eine Übersicht zur "Ausgewählte Bibliografie Hiroki Satos als Übersetzer". Zum Schluss folgen das Inhaltsverzeichnis und Leseempfehlungen des Verlages.
Meine Meinung:
Bei diesem Buch merkt man, dass es für die Neuzeit noch einmal überarbeitet wurde, dass es quasi les- und verstehbarer gemacht wurde. Allein schon die hinter Begriffen hochgestellten Zahlen, die es ermöglichen, am Ende des Buches unter "Anmerkungen" mehr erklärt und definiert zu bekommen, helfen einem durch die Lektüre. Bei manchen Kapiteln wird angemerkt, dass sie nur schwer schriftlich zu erklären oder gar geheim sind und deshalb vom Meister an den Schüler mündlich und praktisch überliefert wurden. Neben den Anmerkungen helfen vor allem auch das Vorwort & Nachwort und die Chronologie, das Werk Munenoris besser zu verstehen, einzuordnen und helfen mit Hintergrundinformationen aus.
Im Buch kommen tatsächlich für Kämpfer anwendbare Lehren vor, wie z.B. 'Maßnahmen, wenn der Gegner eine Angriffsstellung einnimmt'. Da wird etwa geraten:
" Beachte die folgenden drei Punkte bei deinem Gegner:
- seine Fäuste
- den Teil seiner beiden Arme, der gebeugt oder gestreckt ist
- seine Brust, besonders zwischen den Schultern."
Anschließend wird näher erklärt warum usw. Es ist viel mehr 'Greifbares', Praktisches, für jemanden der z.B. Sport betreibt oder sich mit (Schau)Kampf befasst, als in anderen Samurai Lehren & Büchern, die ich schon gelesen habe. Die ließen sich viel öfter schwammiger, weniger direkt oder ohne konkrete Beispiele lesen. Hier dagegen wird erklärt, was man bei seinem und dem gegnerischen Körper genau beachten sollte.
Allerdings geht es nicht nur um direkt praktische Dinge, sondern auch einiges für die Psyche, denn die Lehren sind beeinflusst vom Zen-Buddhismus. Und da lässt sich dann doch auch das ein oder andere ableiten für z.B. einen normalen, heutigen Alltag. Oder wer hat nicht etwa schon auf Arbeit mal 'schwere Gegner' erlebt? Natürlich wird einem da auch hier kein Buch vorgelegt, wie man Konflikte oder Probleme generell lösen sollte. Aber vielleicht kann das Buch den ein oder anderen, kleinen Denkanstoß geben?
Wer für sich eher wenig auf seinen Alltag abgewandelt projizieren kann, kann das Buch auch einfach als Japan-, Samurai-, Schwertkampf- oder Geschichtsinteressierter lesen.
Interessant fand ich, wie oft Lehren oder Namen von Techniken und Regeln sich etwa an der Natur inspirieren. Z.B. gibt es einen Zen-Spruch: "Trommle aufs Gras und überrasche die Schlange": So wie man Schlangen aufschreckt, wenn man auf Gras trommelt in dem sie liegen, so auch sollte man den Gegner erst einmal und dann ein weiteres Mal überraschen.
Oder aber das "dem Geräusch von Wind und Wasser lauschen" wird verglichen mit 'äußerlich Ruhe und innerlich Kampfgeist zu bewahren.' Weiteres Beispiel: "[...]Du solltest deinen Geist zur Kampfzone bewegen wie sich der Mond zum Wasser begibt."
Neben der Natur findet der Autor auch Vergleiche aus dem alltäglichen Leben der damaligen Zeit oder auch Theater und Musik: etwa wird empfohlen, wenn der Gegner einen langsamen Schwert-Takt nutzt, sollte man selbst einen schnellen anwenden. Er vergleicht es damit, dass etwa im Nô-Theater ein fortgeschrittener Sänger außerhalb des Taktes rezitiert und somit unerfahrene Trommler, die ihn begleiten sollen, dann nicht wissen wie sie anschlagen sollen. Oder auch das Vergleichs-Beispiel der Vogelspießer: "Ein erfahrener Vogelspießer zeigt dem Vogel seine langsam schwenkende Lanze aus der Distanz und gleitet, sobald er sich genähert hat, schnell auf den Vogel zu, um ihn zu fangen. [...] Der Punkt ist, sich nicht in Harmonie mit dem Gegner zu begeben. Erst ohne Einklang kannst du voranschreiten."
Auch allgemeine Tugenden aus der Zeit werden im Buch deutlich. So wird z.B. ein General mit seinem Kommando über Armeen mit einem einzelnen Mann mit Armen und Beinen verglichen. Funktionieren seine Streitkräfte nicht, funktionieren seine Arme und Beine nicht. Es geht auch darum, Wahrheiten zu erkennen und insgesamt nicht darum, zu kämpfen um zu töten, sondern um das Böse vom Volk abzuwenden. Noch wichtiger als die Strategie seines Gegners in einem Kampf zu bewerten findet der Autor, dass man versteht, dass der eigene Fürst von Schmeichlern umgeben ist, die dem Fürsten und Volk schaden. Der Blick sollte nicht auf die Nahestehenden des Fürsten gerichtet werden, sondern, das auch weiter entlegene Volk sollte nicht vergessen werden.
Und dann geht es eben noch ganz oft um Geisteshaltungen. Was Körper und Geist im Einzelnen tun, wie wichtig ihr Zusammenspiel bzw. ihr Einklang ist. Da wird es bisweilen auch etwas philosophisch.
Während diese Geisteshaltungen etwa besonders in Buch 1 und 2 vorkommen, beinhaltet Buch 3 direkte Angriffsstellungen. Diese werden benannt, erklärt und anschließend findet sich darunter sogar eine Skizze der Kampfszenen. Wer sich also direkt für japanische Kampfkunst interessiert, kann sich hier praktische Techniken entnehmen.
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"Buch 3" mit veranschaulichten Kampfstellungen zu jedem Kapitel |
Für Fans von Samurai-Lehren, die womöglich auch "Das Buch der fünf Ringe" von Miyamoto Musashi gelesen haben, gibt der Herausgeber eine Einordnung beider Bücher: Musashi lebte im gleichen Zeitalter etwa wie Munenori (1584-1645). Allerdings bilden die Bücher der beiden einen starken Kontrast zueinander.
"Der Weg des Samurai" (Heihô Kaden Sho) hebt den Geist hervor und hat eine philosophische Ausrichtung. "Das Buch der fünf Ringe" (Gorin No Sho) dagegen ist 'eine unverblümte Beschreibung praktischer Aspekte des Kämpfens mit Waffen', besonders Schwertern. Musashi wollte darin keine Worte und Ausdrücke von Konfuzianismus und Buddhismus verwenden.
Vermutet wird, dass der Unterschied von den sozialen Stellungen der beiden Schwertkämpfer herrührt: Munenori war Berater des Shoguns, seine Freunde waren Daimyo, Adelige, aber auch Mönche und Künstler. Musashi dagegen war ein unabhängiger Mensch, er richtete sein Leben nach dem Schwert aus. Er wollte mit seinem Schwert töten, Munenori nicht. Die Lehren seiner Schwertkampfschule waren bereits unter seinen Vorgängern eher pazifistisch.
Zeitliche Einordnung zu anderen Samurai-Schriften: (Links zu Rezensionen innerhalb meines Blogs)
- 1632 "Der Weg des Samurai", Yagyu Munenori
- 1643-1645 "Das Buch der fünf Ringe", Gorin no Sho (Miyamoto Musashi)
- 1710-1716 "Hagakure" (Tsunetomo Yamamoto)
- "Um ein Haus zu betreten, mußt du zuerst durch die Eingangstür schreiten. Diese Tür ist der Weg ins Haus. Nachdem du sie durchschritten hast, bist du im Haus und begegnest seinem Meister.
Lernen ist das Tor zum Weg. Bist du hindurchgeschritten, erreichst du den Weg. Lernen ist das Tor, nicht das Haus. Verwechsle nicht das Tor mit dem Haus. Das Haus liegt hinter dem Tor. Weil Lernen das Tor ist, glaube bloß nicht, daß die Bücher, die du liest, den Weg darstellen. Bücher sind ein Tor, um den Weg zu erlangen."
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