Allgemeine Infos:
Titel: "Das Seidenraupenzimmer"
Originaltitel: "地球星人" (Chikyū seijin, Earthlings)
Autor: Sayaka Murata
Übersetzung: Ursula Gräfe
Erscheinungsdatum: 2018 (JP), 2022 (D)
Originalpreis: 12,00€ (D)
Verlag: Aufbau Verlag (atb)
Genre: Roman, Alltag, Gesellschaftskritik
ISBN: 978-3-7466-3859-1
Info: Auch als E-Book erhältlich.
Eine Triggerwarnung von mir findet ihr in "meine Meinung".
"Japans Erfolgsautorin Sayaka Murata erzählt in ihrem Roman >Das Seidenraupenzimmer< die Geschichte zweier Außenseiter, von Natsuki und ihrem Cousin Yu, die sich jung verlieben und gemeinsam gegen eine Welt verbünden, die besonders Natsuki auch Böses will. Nur im alten Farmhaus der Familie, in dem früher die Seidenraupen ihren Dienst verrichteten, sind sie glücklich, denn sie sind beieinander. 20 Jahre später geht Natsuki an diesen Ort zurück...
Die Magie dieses Romans spinnt uns ein in einen irisierenden Kokon der Fremdheit und entlässt uns schließlich in eine Realität, in der alles möglich ist."
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Kurz über die Autorin:
"Sayaka Murata wurde 1979 in der Präfektur Chiba, Japan, geboren. Für ihre literarische Arbeit erhielt sie bereits mehrere Auszeichnungen. Ihr Roman >Die Ladenhüterin< gewann 2016 mit dem Akutagawa-Preis den renommiertesten Literaturpreis Japans und war in mehr als einem Dutzend Ländern ein großer Erfolg." (Text aus dem Buch)
Meine Meinung:
Zuerst einmal, auch wenn es an dieser Stelle spoilern sollte, muss ich, denke ich, eine Triggerwarnung aufstellen. Denn so schön das Cover und der Klappentext des Buches auch sein mögen, täuschen sie über den Inhalt hinweg. "Das Seidenraupenzimmer" behandelt wie "Die Ladenhüterin" das Thema gesellschaftlich Außenseiter-sein, darüber hinaus können aber andere Themen triggern und verstörend sein. Im Buch werden unter anderem folgende weitere Themen angesprochen bzw. kommen vor:
Mobbing, Ausgrenzung, psychischer und physischer Missbrauch, sexueller Missbrauch, Inzest, psychische Störungen, Kannibalismus.
Wen das nicht stört, der kann ab hier gerne weiterlesen 😅 ich bemühe mich, nicht groß weiter zu spoilern.
Worum geht es?
Natsuki glaubt, ein Magical Girl zu sein. Das zumindest hat ihr Pyut erzählt, ihr Stofftier. Aber eigentlich kam Pyut vom Planeten Pohapipinpopopia, von wo die Zauberpolizei ihn im Auftrag, die Menschen zu retten, auf die Erde gesandt hat. Mit seiner Hilfe, einem Papierzauberstab und einer verzauberten Puderdose im Rucksack, ist Natsuki immer unterwegs, um als "Magical Girl" die Welt zu beschützen. Daran glaubt sie ganz fest, denn Natsuki hat es nicht leicht im Leben: eine ältere Schwester, die immer die Aufmerksamkeit auf sich zieht und gehegt und gepflegt wird von der Mutter, während diese für Natsuki regelrecht nur Abscheu übrig hat. Ein Vater, der kaum eine eigene Meinung hat. Ein übergriffiger Lehrer. Und alle Welt, die der Meinung ist, das Beste für Natsuki zu wissen, ohne je nach der Meinung des Mädchen zu fragen. So wird Natsuki groß und findet nur Halt bei ihrem Pyut. Der Einzige, der von ihrem "Magical Girl"-Geheimnis weiß, ist ihr Cousin Yu. Yu wächst ohne Vater mit einer Mutter auf, die ihn komplett vereinnahmt, während alle von ihm immer sagen, er wäre ein Außerirdischer. Die beiden Kinder kommen zu dem Schluss: vielleicht ist dem wirklich so, vielleicht ist Yu einfach ein Außerirdischer? Die beiden freuen sich, sich immer einmal im Jahr zum O-Bon Fest zu sehen. Denn dann kehrt die ganze Familie auf dem Land, in Akishina, bei der Oma ein. Besonders fasziniert sie dabei die Geschichte des Seidenraupenzimmers. Aus diesen Treffen schöpfen die beiden immer Kraft für das restliche Jahr. Doch dann kommt es zu einem Vorfall...
20 Jahre später sehen sich Yu und Natsuki als Erwachsene wieder. Es ist viel passiert, wie sie feststellen. Natsuki ist mittlerweile verheiratet, aber nichts ist, wie es scheint. Ihr Mann hat seine ganz eigenen Probleme und so beschließen die beiden irgendwann, eine Auszeit zu nehmen und aufs Land zu fahren, bei Yu unterzukommen...
Und noch mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Meine Triggerwarnung zeigt euch hoffentlich, dass das Buch es in sich haben wird. Während Muratas Werk "Die Ladenhüterin" das Thema Außenseiter-sein noch sanfter angesprochen hatte, hat es "Das Seidenraupenzimmer" wirklich in sich. Schonungslos wird der Leser in Szenen gezogen, die teils schwer zu ertragen sind. Das Buch ist eine große Kritik an der japanischen Gesellschaft und Natsuki bekommt den Erwartungsdruck deutlich zu spüren. Immer wieder geht es auch um "die Fabrik" (die japanische Gesellschaft), die erwarte, dass man Nachkommen "produziere". An sich fand ich es gut, dass solche Themen wieder angesprochen werden. Das Buch ist an sich allerdings ziemlich heftig, aber was besonders verstörend für wohl viele Leser letztlich war, war wohl das Ende. Mich eingeschlossen. Ich bin sehr gespalten, weil ich das Ende quasi "zu viel" fand und irgendwie dann zu abgedreht, andererseits war es doch auch wahrscheinlich wieder stimmig zum Rest des Buches. Ich hatte zuvor bereits im Internet von Leuten zum Buch gelesen, dass dieses Buch heftig ist oder manche schrieben: "Was habe ich da nur gelesen?". Zwischendurch dachte ich noch, ich habe schon schlimmere Bücher gelesen. Aber das Ende fand ich dann doch...heftig. Schön dagegen sind auch hier die einfachen, alltäglichen, unaufgeregten Beschreibungen, wie etwa das Wetter oder die Jahreszeiten in Akishina und die Hobbys der Kinder bei Familientreffen sowie der Ablauf der Familienfeste.
Was ich schade finde, ist im Deutschen der gewählte Titel. Im Japanischen oder Englischen heißt es "Erdlinge", was ich als passender empfunden hätte. "Das Seidenraupenzimmer" klingt als Titel toll, kommt in dem Sinne aber nicht soo extrem zum Tragen, finde zumindest ich.
Das Cover des Buches ist wie schon bei ihrem zuvor veröffentlichten Buch "Die Ladenhüterin" (Link bringt euch zu meiner Buchrezension von diesem) hübsch aufbereitet, aber doch auch zu harmlos für den Inhalt.
- "Alle meine Freundinnen funktionierten damals bereits im Sinn der Menschenfabrik, nur ich war übrig geblieben. Die anderen sehnten sich nach der >>großen Liebe<< und bemühten sich, richtige Mädchen zu werden. Es war irgendwie unheimlich, wie flächendeckend dies passierte.
Manchmal wurde ich gefragt, wie es bei mir sei und ob es einen Jungen gäbe, der mir besonders gefalle. Ich verneinte. Alle Mädchen redeten am liebsten über die Liebe, und es störte sie, dass es eine gab, die es niemals tat."
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Hier übrigens noch ein interessanter Artikel über Seidenraupen(zucht) [Quelle: "Daphne's Diary"]:
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