"GEISHA - Vom Leben jenseits der Weidenbrücke" - Buchrezension

Allgemeine Infos:
Titel: "GEISHA - Vom Leben jenseits der Weidenbrücke"
Originaltitel: "Ryūkyō shinshi" (柳橋新誌) ; "Geisha, kutō no hanshōgari" (
芸者、苦闘の半生涯)
Autoren: Narushima Ryūhoku; Masuda Sayo; Michael Stein
Übersetzung: Aus dem Japanischen von Michael Stein
Erscheinungsdatum: 
dieses Werk: 1998 (D),  die Originalbücher erschienen wie folgt: 

  • "Ryūkyō shinshi" Buch 1 erschien 1860 in Edo (Tōkyō), Buch 2 1874. 
  • "Geisha, kutō no hanshōgari" (von 1957), erschien bei Heibonsha Library, Tōkyō 1995.
von mir rezensierte Auflage: Erste Auflage 1998 
Originalpreis: (?, nicht mehr rekonstruierbar; gebraucht erworben)
Verlag: Insel Verlag
Umfang / Buchart: 312 Seiten, Hardcover Umschlag
Genre: Sammlung zweier historischer Zeitzeugenberichte; (Auto)Biografie
ISBN: 345816891-5 / 9 783458 168911
Info: Das Buch vereint drei Bücher in einem Band: "Ryūkyō shinshi(柳橋新誌) ("Neue Notizen zu Yanagibashi") Band 1 &2 von Narushima Ryūhoku sowie "Geisha, kutō no hanshōgari" ("Geisha - Ein Lebensbericht") von Masuda Sayo. Michael Stein hat die Bücher übersetzt und das Ganze mit einem Nachwort versehen, worin die beiden Autoren mit ihren Werken auch noch einmal geschichtlich und in ihrem Gesamtzusammenhang gebracht & erklärt werden. Das Buch von Masuda Sayo ist auch noch einmal extra für sich im Inselverlag erschienen unter dem Titel "Die letzte Geisha: Eine wahre Geschichte". 

Buchrücken:

"Geisha und ihre Gäste - der vorliegende Band gewährt ungeschminkte Einblicke in die Welt des traditionellen japanischen Amüsements."

Beschreibung auf dem Buchumschlag:

">>Das Viertel Yanagibashi liegt an der Mündung des Flusses Kandagawa. Die Flußschänken sind reich an der Zahl wie die Sterne am Himmelszelt, und Scharen von Schifferleuten wogen hier dicht wie die Wolken; dem kommt kein anderes Viertel gleich. Sushi-Restaurants, Nudel-Imbisse vielfältiger Namen, was immer das Herz begehrt, es wird in Fülle geboten, nichts gibt es, das hier nicht feil wäre. Daß aber die Beliebtheit dieses Bezirks heute frühere Zeiten weit in den Schatten stellt, das liegt nicht hieran, sondern an etwas anderem. Und dieses andere, was mag das wohl sein? Es sind die Geisha.<< Geisha und ihre Gäste - um diese geht es in diesem Buch, und beide kommen zu Wort. Es sind authentische Insiderberichte, wie sie unterschiedlicher kaum vorstellbar sind. Hier der hochgebildete Samurai-Sproß, Journalist und Literat Narushima Ryuhoku, der große Teile seines Vermögens für das Vergnügen mit Geisha in Tōkyōs Revier Yanagibashi um 1860/70 aufwendet, und dort die Geisha Tsuruyo, die um 1937 als zwölfjähriges Kind ohne jede Schulbildung an ein Geisha-Haus verkauft wurde. Während Ryuhoku seiner Begeisterung über das Amüsement mit Geisha erliegt und seinen anfangs sachlichen >>Yanagibashi-Führer<< zu einem lyrischen Preislied auf die Geisha-Welt, durchsetzt mit vergnüglichen Anekdoten, ausweitet, lenkt Tsuruyo den Blick hinter die Kulissen, wo Schikane, Folter und Selbstmord alltäglich sind und arglose Kinder systematisch zu hysterischen Psychopathen deformiert werden, bevor sie, nach Ausverkauf ihrer Jugend und Tugend, einem ungewissen Schicksal überlassen werden. Beide Texte, die hier erstmals in Übersetzung vorliegen, gewähren ungeschminkte Einblicke ohne jede künstliche Exotik in die Welt des traditionellen japanischen Amüsements."
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Inhaltsverzeichnis: 

  1. Narushima Ryūhoku- "Neue Notizen zu Yanagibashi"
    (Bestehend aus einem Vorwort, erstes Buch, zweites Buch)
  2. Masuda Sayo- "Geisha - ein Lebensbericht"
    (bestehend aus mehreren Kapiteln)
  3. Glossar
  4. Nachwort von Michael Stein

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Kurz über die Autoren:
Narushima Ryūhoku (成島 柳北; geboren 1837 in Edo; gestorben 1884) war ein japanischer Journalist, Essayist und Kritiker. Mit seinen Regierungskritiken oder auch ironischen Gedichten machte er sich nicht immer Freunde und wurde u.a. auch entlassen und inhaftiert deswegen.
Masuda Sayo (
増田 小夜; geboren 1925, gestorben 2008) wurde als Kind an ein Geisha-Haus gekauft. In den 1950er Jahren verfasste sie, als Beitrag für einen Wettbewerb in einer Frauenzeitschrift, ihren Lebensbericht. Sie gewann nicht, aber 1957 wurde ihre Autobiographie von einem japanischen Verlag veröffentlicht. Später lebte Masuda Sayo in Nagano, wo sie sich mit einem Lebensmittelhandel ein bescheidenes Lebensziel erfüllen konnte. Sie starb dort 2008 an den Folgen von Leberkrebs.
Michael Stein war Dozent für Deklamation an der Musikfakultät der Tokyo Geijutsu Daigaku und ist seit 2017 emeritiert. Er absolvierte ein Studium der romanischen Theaterwissenschaft in Frankfurt/Main und Genua, und der klassischen jap. Literatur in Frankfurt/Main. Seit 1980 lebt er dauerhaft in Japan.
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Meine Meinung:
Das Buch besteht eigentlich aus zwei/drei Büchern zwei völlig verschiedener Autoren, die zu völlig verschiedenen Zeitaltern gelebt haben, aber hier zusammengetragen wurden, um verschiedene Ansichten auf die Welt der Geisha zusammenzutragen: Einmal von einem Gast der alten Geishaviertel, und einmal von einer ehemaligen Geisha. Nachfolgend meine Zusammmenfassung der Werke:

Narushima Ryūhoku: "Neue Notizen zu Yanagibashi"
Buch 1: 
Das erste Buch stammt von Narushima Ryūhoku (1837 - 1884), einem japanischen Journalisten, Essayist und Kritiker. Sein Buch beginnt mit einer skizzenhaften Stadtkarte des einstigen Viertel Yanagibashi, einer weiteren Bildkarte von "Ryōgoku und Yanagibashi", sowie einer näheren, detaillierteren Skizze von Yanagibashi. In seinem Vorwort erwähnt Narushima, dass vor 'etlichen Jahren' ein Gelehrter ein Buch verfasste, in dem hunderte Vergnügungsstätten und -viertel umfangreich vorgestellt worden sind. Seitdem seien über 20 Jahre vergangen und die Viertel haben sich verändert. Frühere prachtvolle Kurtisanenstätten seien nun wie ausgestorben, vorher unbedeutende Viertel dagegen florieren jetzt, so wie etwa Yanagibashi. Der Autor Narushima Ryūhoku gibt sich zwar schon im Vorwort als ungebildet, unwissend und arm ("Mein Stil ist vulgär und mein Thema anrüchig [...]") aus, aber das ist er keinesfalls: er ist gut gebildet, stammt aus einem Samurai-Geschlecht, welches die Lehrer des Edo-Shōgunats stellte und ist belesen, war auch entgegen seiner Worte eine Zeit lang Stammkunde in Yanagibashi. Seine Berichte stammen sehr wohl also von ihm persönlich und nicht von anderen. Aber das erfährt der Leser erst am Ende des Buches im Nachwort genauer- oder beim Blick in Wikipedia ;)
Der Autor beschreibt uns in Band 1 folgende Themen zu Freudenviertel Yanagibashi: wie es damals aussah, wie die Abläufe im Viertel waren, beschreibt die Gasthäuser, die Anzahl der Geisha, Fährboote und gibt Namen bedeutsamer Häuser der einzelnen Gebiete wieder. Er beschreibt die Abläufe in den Flussschänken genauer, wer vom Kunden eigentlich am meisten einstreicht, das Essen, nennt besonders beliebte Häuser oder auch Preise (damals noch in "Shu" und "Bu"). Neben den Flussschänken traten die Geisha aber auch in Gasthäusern auf. Diese bieten etwa zusätzliche Badehäuser und er beschreibt auch dort die Abläufe genauer. Wir lernen: während die Flussschänken es darauf anlegen, dass Geisha mit ihren Gästen bei ihnen die Nacht verbringen, tun dies die Gasthäuser (bis auf ein paar Ausnahmen) nicht. Auch damals regierte Geld schon die Welt und der Autor gibt Beispiele, wie Geld einem Gast die Gunst von Dienerinnen und Geisha etwa einbringt, er mahnt jedoch auch, dass man ohne Klugheit und Charisma schnell in der Armut landen kann.

Sind Geisha nun Prostituierte? Ryūhoku klärt auf über Kurtisanen und Geisha: "Diejenigen, die intime Dienste feilbieten, aber keine Künste, nennt man üblicherweise 》Jorō《. Solche, die Künste feilbieten, aber keine intimen Dienste, nennt man 》Geisha《". Die Kurtisanen von Fukugawa hatten laut ihm "früher" einmal beide Lizenzen, sodass man sie "Jorō-Geisha" nannte. In Yanagibashi bieten die Geisha dagegen ihre Künste an. Der Autor berichtet , dass es aber auch da Ausnahmen gibt und einige auch heimlich intime Dienste anboten. Abgesehen von erotischen Diensten durften die Kurtisanen damals etwa auch Handtrommel schlagen oder Flöte spielen, was den Geisha untersagt war- nur Gesang und Tanz waren ihnen erlaubt. Verstießen sie dagegen, gab es direkt einen Aufruhr, die Geisha würde ihre Kompetenzen überschreiten. Das führte wiederum auch dazu, dass auch Gewänder und Haarschmuck weniger prachtvoll als die der Kurtisanen wurden. 
Des weiteren beschreibt er in Band 1 die Viertel und Wohnhäuser in denen Geisha leben, was für Bräuche sie hatten, welche Gottheiten sie verehrten, welche familiären Stellungen die meisten hatten, und welchen Unterschied es für eine Geisha macht, entweder bei einer wirklichen Mutter, oder einer Stiefmutter im Haus zu leben. Außerdem geht es um: Die Engagierung einer Geisha, welchen Stellenwert ein Hakoya (Kastenträger) hat, was es damals bedeutete, eine Geisha "umzulegen"; was die Unterschiede zwischen "kleiner" und "großer" Geisha waren,  welche Regeln es für die Kleidung gab. Er beschreibt, dass die ausgebildeten Geisha sich auf Musizieren und Instrumentenspiel verstehen, während die Lehrlinge (sie heißen nicht Maiko, das tun sie nur in Kyōto) tanzen. Einige Abläufe und Ansprachen ("ältere Schwester", "jüngere Schwester") sind damals schon so, wie man es bei den heutigen Geisha kennt, wenn man sich ein wenig mit der Thematik beschäftigt. Andere Sachen unterscheiden sich wieder sehr und rufen ein sehr exotisches, historisches Bild im Kopf hervor.

Der Autor selbst schafft es in seinem Buch immer wieder, einmal wohlwollend, einmal tadelnd über Geisha zu schreiben. Lobt er eben noch ihre Künste, schreibt er im nächsten Moment, dass es früher Geisha gab, die andere Instrumente und Spiele tadellos beherrschten, zu seiner Zeit jedoch seien die meisten jedoch nur noch ungeschickt; oder aber er beschreibt sie als faul und geldsüchtig. Dann wiederum kommen aber auch Sätze, wo er meint, man könne nicht verallgemeinern und nicht alle seien so. 
Er beschreibt auch negative Seiten, wie z.B. gewisse Gesetze umgangen wurden, wenn junge Mädchen aufgekauft wurden. Darüber hinaus bringt er Beispiele aus damals angesehenen, überwiegend chinesischen Schriften an, die zwar interessant sein können, für mich aber eher den Lesefluss behindern, weil man sie nicht kennt. Manchmal wusste ich auch nicht recht, ob er Kurtisanen und Geisha miteinander vermischte. Da er auch ironische, satirische Texte in seinem Leben schrieb, war ich mir auch nicht so sicher, wie ernst und wahrhaftig man seine Schriften im Nachhinein nehmen sollte.

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Buch zwei:

Das zweite Buch von ihm spielt 12 Jahre später. Der Autor gibt sich im zweiten Buch nicht mehr die Mühe, wie ein unbeholfener Laie in der Geishawelt zu wirken, der keine Ahnung hat. Stattdessen bezeichnet er sich selbst als "Senshi" im Buch- er schreibt nie aus der Ich-Form, sondern stattdessen Sätze wie "Jemand fragte den Senshi". Er gibt in diesem Buch den Einblick, was sich in 12 Jahren ereignet hat. Vom Schließen und Öffnen verschiedener Häuser, der Zunahme der Geisha, gleichzeitig beklagt er die Abnahme ihrer Qualitäten noch mehr als im ersten Buch. Anschließend bringt er mehrere Geschichten aus der Geishawelt in kurzen Anekdoten auf Papier. Allerdings lässt sich bei diesen nicht sagen, wie viele davon wirklich wahr sind (denn manch einer merkt man aufgrund fabelhafter Elemente an, dass es eine ausgedachte Geschichte ist- ob nun von ihm erfunden oder nur eine  niedergeschriebene Geschichte aus der Gesellschaft). Aber egal in welchem Buch: der damaligen Zeit geschuldet schreibt Narushima manchmal etwas gestelzt und für uns heute etwas schwer lesbar (gerade auch dank vieler Eigennamen etc.). Beim Lesen seiner Bücher habe ich dadurch etwas länger gebraucht. 

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Masuda Sayo: "Geisha - Ein Lebensbericht"
In diesem Buch beschreibt die Autorin Masuda Sayo (Geishaname: Tsuruyo) ungeschönt, wie sie von Kindesbeinen an ihr Leben erlebte & es nie leicht hatte. In einer ländlichen Gegend wurde sie, von ihrer Mutter nicht gewollt, bei einer fremden Familie dazu eingesetzt, deren Kind zu hüten. Dabei beschreibt sie die schlechten Lebensbedingungen, Quälereien und Hänseleien, die sie dabei ertragen musste und wie sie nicht einmal ihren eigenen Namen kannte. Mit 12 Jahren, um 1936/37, wird sie an das Geishahaus Takenoya in Kamisuwa verkauft. Zuerst fühlt sie sich aufgrund der schönen Räume und Kleider der Leute wie in einem Märchenpalast, bald aber merkt sie auch hier die harte Realität. Sie beginnt als Dienerin, nach einem Monat besucht sie schließlich eine Geishaschule. Besonders bei den verschiedenen Instrumenten und im Tanzunterricht strengt sie sich an, um keine Schläge zu bekommen. Sie beschreibt ihre herrische Geisha-Mutter, sowie ihre vier Geisha-Schwestern: Takechiyo ("giftig und angeberisch"), Karuta (sehr nett und freundlich zu Tsuru), Takemi (aufgedunsen aufgrund einer Krankheit, träge, neutral zu Tsuru), und Shizuka (schön aber geschwätzig). Später kommt noch als neue Lern-Geisha Michiko (Tsukiko) dazu. Tsuruyo beschreibt ihr Geisha-Leben mit allem, was sie so erlebt, vor allem zwischenmenschliche Erlebnisse. Debüt und Engagements, Erniedrigungen und Häme, aber auch Gemeinschaft und Zusammenhalt, Schmerz, Tod, Mäzen, den 2. Weltkriegsbeginn.. bis hin zu ihrem Freikauf. Als sie sich schließlich jedoch wirklich verliebt, macht ihr Mäzen, der sie freigekauft hatte, ihr das Leben ganz schwer. Sie flieht aufs Land, wo sie bei einer Tante ihren echten Bruder kennenlernt. Beide entwickeln eine starke, fürsorgliche Bindung füreinander und Sayo versucht mit diversen Jobs während und nach dem Krieg sich und ihren Bruder am Leben zu erhalten. Doch auch zwischen Hunger, Krankheit, allerlei schlechten Jobs & ihrem Willen nie aufzugeben, versetzt ihr das Schicksal erneut einen schweren Schlag.. Weiter möchte ich nicht spoilern.
Ich fand das Buch, was die wahre Lebensgeschichte einer Frau ist, unglaublich berührend. Man fragt sich beim Lesen, wie viel ein Mensch im Leben eigentlich ertragen kann und muss. Und doch hat sie nie aufgegeben und weitergemacht, trotz aller Schicksalsschläge. Sicher von den wahren Geisha-Biografien, die ich gelesen habe, eine der krassesten und deprimierendsten. Gleichzeitig konnte ich auch hier wie bei anderen Geishabüchern feststellen, dass einige Geisha wahre Lebenskünstlerinnen sind, die trotz aller Rückschläge im Leben immer irgendwie einen Weg finden. Masuda Sayo, die nie richtig schreiben gelernt hat, hat ihr Leben übrigens unbeholfen in der Silbenschrift Hiragana niedergeschrieben und an einen Kurzgeschichten-Wettbewerb einer Zeitschrift geschickt. Gewonnen hat sie nicht, aber ein Verlag wurde aufmerksam und so entstand schließlich ein Buch mit ihrer Geschichte (wie oben schon erwähnt ist dieses auch eigenständig ins Deutsche übersetzt als Buch erhältlich). Da Masuda Sayo keine Schulbildung hat, ist ihr Buch recht einfach und simpel geschrieben und auch in der Übersetzung wurde sich Mühe gegeben, dies wiederzugeben, da es auch im Japanischen von dem Verlag so gelassen wurde. Dem Lesefluss tut das meiner Meinung nach allerdings keinen Abriss, es ließ sich jetzt nicht schlechter oder schwerer lesen. Aber es macht eben noch einmal gerade zu Narushima Ryūhoku Büchern & Ausdrucksweise einen krassen Gegensatz. 

Cover des Buches 
in seiner
Einzelveröffentlichung.
Quelle: Insel Verlag











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Nachwort von Michael Stein:
Abschließend nach den beiden (dreien) Büchern der Autoren setzt noch ein Glossar mit der Erklärung der wichtigsten Namen & Eigenwörtern an, bevor es ein Nachwort von Michael Stein, der viel zum Thema der Geschichte der Geisha recherchiert hat (und darüber auch ein eigenes Buch geschrieben hat), gibt. Er macht noch einmal eine geschichtliche Einordnung beider Bücher und Autoren, erklärt das ein oder andere noch näher und schafft irgendwie doch noch ein rundes Bild dieser beiden doch so recht unterschiedlichen, aber in einem Buch vereinten, Schriften. Das Nachwort ist ganz gut und wichtig, um das ein oder andere noch näher zu verstehen und für sich einzuordnen. Dennoch hätte ich mir noch ein paar Worte von ihm zum heutigen Geisha-Dasein gewünscht. Zwar ist das Buch schon etwas älter (1998), aber auch da wurden Frauen schon lange nicht mehr an Geisha-Häuser verkauft und sie mussten sich auch nicht sexuell auf Kunden einlassen. Diese Einordnung fehlt und dadurch haben die Geisha dann doch leider das Klischee der "
künstlichen Exotik", was man hier eigentlich vermeiden wollte, anhaften.

Desweiteren finde ich das Cover nicht gut. Klar ist es mittlerweile veraltet, darüber hinaus zeigt es a) keine Geisha (und wenn, dann unprofessionell und nicht in ihrer üblichen Kleidung/Frisur) und b) darüber hinaus unterstreicht ein Bild einer Frau in so einer Pose mit geöffnetem, nicht korrekt geschlossenen Kimono eben jenes, sexuelles Bild von ihr als Prostituierte). Der Buchrückentext sagt auch nichts näher über den Inhalt des Buches aus, für mehr Informationen müsste man schon den Bucheinschlag, der sich tatsächlich über beide Seiten erstreckt, lesen.

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Eine Stelle aus dem Buch:
  • "An solche Geisha, die sich elegant bewegen und gerieren, mit Prunk und Schminke dezent umgehen, sich aber in jeder Umgebung passend zu benehmen und gefällig aufzutreten wissen, die stets das rechte Wort finden und bei der Konversation die Zeit nicht lang werden lassen, an solche reichen alle Finessen von Geliebten oder Dienstmädchen niemals heran. Über solche Vorzüge verfügen allein die Geisha, und niemand außer diesen eignet sich die Kunst an. Sollte es nicht hieran liegen, wenn eine Geisha, der es sowohl an Schönheit als auch an Künstlertum mangelt, dennoch guten Umsatz erreicht?"
    (
    Narushima Ryūhoku)
  • "Die Mutter sagt immer, wir kennen des Lebens süße und bittere Seiten, aber wir haben immer nur die bitteren Seiten zu schmecken bekommen, die süßen kennen wir nicht. In diese Welt geboren, ohne die wahren Gefühle von Männern zu kennen, nur reiche Mäzene dazu zu bewegen, möglichst viel Geld zum Fenster rauszuwerfen, soll das etwa Liebe sein?"
    (Masuda Sayo)
  • "So unterschiedlich die beiden in diesem Band vereinten Schriften auch sein mögen, eines haben sie gewiß gemeinsam: Sie sind nicht, wie etliche andere Werke über Japans Geisha, dazu verfaßt worden, um bei unkundigen Ausländern jenes abgenutzte Image einer >>geheimnisvollen, niemals ganz zu begreifenden Exotik<< zu verfestigen. Es sind vielmehr echte Insider-Berichte, von Beteiligten für ein japanisches Publikum geschrieben, und sogleich blättert alle künstliche Patina der Exotik ab und gibt den Blick frei auf höchst menschliche Wesen, deren Verhalten unter den gegebenen Umständen nicht unverständlich wirkt."
    (Michael Stein)

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Fazit: 
Zwei unterschiedliche Sichtweisen, die eines Gastes und die einer Geisha, vereint in einem Buch. Der eine schreibt etwas hochtrabend und gestelzt der damaligen Zeit üblich und lässt vor dem geistigen Auge eine vergessene Zeit wieder auferstehen. Nicht immer einfach zu lesen, ist es geschichtlich gesehen ein interessanter Text, wenn auch der Autor mal ernsthafter, mal übertriebener schreibt. Aber man erfährt mehr über längst vergangene, nicht mehr existente Freudenviertel des alten Japans.
Die Geisha Tsuruyo dagegen schreibt nicht nur über ihr Geishaleben, sondern ihr komplettes Leben, auch nach ihrer Geisha-Zeit noch. Aus einfachen, schlechten Verhältnissen stammend, schreibt sie ebenso einfach, ungeschönt, aber gut lesbar.
Das Nachwort von Michael Stein fasst alles noch einmal gut zusammen. Nichtsdestotrotz sind es Berichte aus vergangenen Zeiten in denen noch Kurtisanen existierten, und nicht mehr mit den heutigen Geishas vergleichbar sind, die spätestens seit nach dem 2. Weltkrieg ganz anders arbeiten. Ein Buch für Interessierte der japanischen Geschichte und für generell Interessierte zum Thema Geisha und Amüsementviertel, wenn auch eher mit Blick auf Vergangenes (und Negativem). 


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