"Schwestern der Nacht" - Buchrezension

Allgemeine Infos:
Titel: "Schwestern der Nacht"
Originaltitel: Ryojin Nikki (im Englischen: "The Lady Killer")
Autor: Masako Togawa
Übersetzung: Aus dem Japanischen von Carla Blesgen
Erscheinungsdatum:  Originalausgabe: 1963 [Jp], 1990 [D]
von mir rezensierte Auflage: Auflage von 2009
Originalpreis: 9,90 [D]
Verlag: Unionsverlag (meine Ausgabe)
Genre: Mystery, Krimi
ISBN: 9783293204478
Info: Das Buch ist bei verschiedenen Verlagen und auch mit verschiedenen Covern erschienen. 

Buchrücken:


"Nach dem Tod der neunzehnjährigen Keiko Obano durchkämmt eine unbekannte Frau mit auffälligem Leberfleck die Clubs und Bars von Tokio. Sie sucht den Mann mit der erotischen Stimme, der hier auf Jagd nach einsamen Frauenherzen geht und über seine Eroberungen peinlich genau ein Tagebuch führt. Aus seinem Spiel mit der Lust wird eine tragische Verstrickung aus verlorener Liebe, abgründiger Obsession, verletzter Ehre und bitterer Rache.
》Ein subtiler Krimi aus dem Land der Kirschblüten.《
Martin Horazdovsky, Schweizer Fernsehen"

Beschreibung auf der ersten Buchseite:
"Nach dem Tod der neunzehnjährigen Keiko Obana durchkämmt eine unbekannte Frau mit auffälligen Leberfleck die Clubs und Bars von Tokio. Sie sucht den Mann mit der erotischen Stimme und dem Doppelleben; den Mann, der erfolgreich auf Jagd nach einsamen Frauenherzen geht und über seine Eroberungen peinlich genau Tagebuch führt. Auch Keiko Obana war seine Beute. Die Frauen auf der Liste werden der Reihe nach ermordet - der Mann wird vom Jäger zum Gejagten. Das Spiel mit der Lust wird zu einer tragischen Verstrickung aus verlorener Liebe, abgründiger Obsession, verletzter Ehre und bitterer Rache.
》Togawa gebührt ein Platz unter den Klassikern der Zunft.《
Ulrich Noller, WDR

Schwestern der Nacht wurde in Hollywood von Harold Becker, dem Regisseur von Sea of Love und Malice, unter dem Titel 》Ladykiller《 verfilmt."
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Kurz über die Autorin:
"Masako Togawa wurde 1933 in Tokio geboren. Sie arbeitete als Nachtclubsängerin, bevor sie zu schreiben begann und mit vierundzwanzig in einem Krimiwettbewerb den ersten Preis gewann. Ihre meisterlichen psychologischen Kriminalromane sind Bestseller und wurden vielfach preisgekrönt. Masako Togawa besitzt einen Nachtclub in Tokio und ist eine bekannte Persönlichkeit des öffentlichen Lebens in Japan, berühmt für ihre Krimis, Essays und sozialkritischen Beiträge. Ihre Romane sind in zahlreiche Sprachen übersetzt." (aus dem Buch) Neben der Tätigkeit als Schriftstellerin und Nachtclubbesitzerin war sie auch Sängerin und Schauspielerin. Sie ist 2016 im Alter von 85 Jahren verstorben.
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Meine Meinung:
Unsere Geschichte spielt in Tōkyō, vor allem in den Amüsvierteln. Das Buch beginnt mit dem Tod von Keiko, die sich für minderwertig hält. Ihr Tod bringt dabei die ganze Geschichte erst ins Rollen: Kurz darauf fragt sich "die Frau mit dem auffälligen Leberfleck" durch Bars auf der Suche nach einem ganz bestimmten Mann. Sie holt überall Erkundungen zu ihm ein, bei Hotels, Universitäten und gar Blutbanken informiert sie sich. Über das genaue Warum, darüber werden wir erst einmal im Dunkeln gelassen.
Szenenwechsel. Wir sind jetzt bei Honda, der es liebt, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, Frauen zu verführen und über seine Eroberungen ein "Jäger-Tagebuch" zu schreiben. Bis er irgendwann mitbekommt, dass die Frauen, mit denen er sich traf, nach und nach sterben. Und ihm so die Alibi ausgehen. Er wird vom Jäger zum Gejagten und zweifelt irgendwann an sich selbst: Vielleicht war ich es ja doch?
Anschließend begleiten wir Shinji, Angestellter Anwalt in einer Kanzlei. Zusammen mit seinem alten, aber sehr gewieften Chef untersucht er die Morde und Hondas Fall und rollt die Sache Stück für Stück auf...

Um die Seite 40 herum glaubte ich natürlich, zu wissen, wie die Sachlage sich verhält. Was soll da noch kommen, dachte ich mir. Trotzdem war es sehr interessant, Shinji bei seinen Ermittlungen zu folgen und die einzelnen Verbindungen aufzudecken. Aber dann gibt es zum Ende hin wieder einen Plot-Twist. Das liebe ich tatsächlich an Togawas Büchern. Man wird am Ende immer noch einmal überrascht. Und während ich das Buch zwischendurch jetzt mal nicht so spannend für mich persönlich fand wie die einzelnen Schicksale in "der Hauptschlüssel", fand ich das Buch ganz am Ende, nach der Auflösung der letzten Geheimnisse, doch wieder gut.

Dass das Buch schon etwas älter ist, merkt man hier und da an der Beschreibung einiger Dinge. Etwa, als eine Figur in einen Laden geht, um dort einen öffentlichen "Fernsprecher" zu nutzen. Oder wenn von Schallplatten, Reiseschreibmaschinen und Stenoblöcken die Rede ist.  Ein Charakter erinnert sich an seine Kindheit in der Kriegszeit, wo er immer ein Schild mit seiner Blutgruppe tragen musste. Interessant ist auch, im Buch von Preisen zu lesen. Da wird ehrfürchtig von 10.000 Yen gesprochen, wo ich mir als Leser dachte: "Das ist doch nicht viel dafür" (ca. 60-70€), oder wo ein Bier mit 350Yen als teuer gilt (2-4€, je nach Kurs). Damals war der Yen also noch viel mehr wert und das spürt man.

Für mich ist es auch immer schön zu lesen, wenn für einen Gegenstand ganz vielfältige oder mal andere als die häufigsten Wörter genutzt werden: etwa  "Sprechmuschel", statt einfach nur vom Hörer zu schreiben. Oder "öffentlicher Fernsprecher", statt Münztelefon.

Insgesamt beschreibt Togawa uns in diesem Buch schön das Nachtleben Tōkyōs um 1960. Bars, Clubs, Wohnhäuser, Restaurants und Nudelshops, bis hin zu ominösen Dampfbädern. Man kann sich prima die Amüsviertel mit ihren nächtlichen Besuchern vorstellen. Aber nicht nur dort, auch die anderen Settings sind gut beschrieben, sodass man Bilder im Kopf hat. Ich mag solche Settings an japanischen Büchern, wo man spürt, sie spielen auch wirklich in Japan.

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Eine Stelle aus dem Buch:
Diesmal wieder mehrere, da ich die gemalten Bilder, die im Kopf entstehen, hier so mochte:
  • "Für ihn waren Frauen nicht mehr als Blechzielscheiben in einer Schießbude. Der Mann zieht den Abzug, die Frau fällt um, aber schließlich - sind die Frauen nur aus Blech und stehen wieder auf. Er konnte also schießen, so viel sein Herz begehrte. Jedenfalls so lange, bis die Zielscheibe einmal nicht aus Blech war und Blut fließen würde..."

  • "Die Leben von Männern und Frauen sind wie Zahnräder  - fassen die Zacken nicht mehr haargenau, werden alle Rädchen beschädigt, nicht nur die in unmittelbarer Nähe der Fehlerquelle. So würden jetzt wahrscheinlich die klitzekleinsten Heimlichkeiten menschlicher Individuen vor den Augen der Öffentlichkeit ausgebreitet werden."

  • "Shinji trat ans Fenster und blickte auf den Park hinab. Die Tauben, die sich jeden Morgen auf dem Fensterbrett versammelten, waren fort, um ihren Mittagsgeschäften nachzugehen. Zarter Dunst umgab die Baumwipfel im Park; im Himmel darüber türmten sich Kumuluswolken auf. [...] Seine Vorahnungen  - dunkel wie der Winter - standen in krassem Gegensatz zu dem hellen Sommerhimmel."

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Fazit: 
Ein Krimi im Nachtleben der Tōkyōter 1960er Jahre, ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den Charakteren. Kein Thriller, aber ein interessanter Krimi-Roman mit den für Masako Togawa typischen, interessanten Wendungen (Plot-Twists) und ihrer auch immer wieder leicht auftretenden Gesellschaftskritik. Für Fans von Togawa und alle, die auf Wendungen bis zum Schluss stehen.

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