"Herr Katō spielt Familie" - Buchrezension


Allgemeine Infos:
Originaltitel: "Herr Katō spielt Familie" 
Autor: 
Milena Michiko Flašar
Übersetzung: -
Erscheinungsdatum: 2018
Originalpreis: 10,00€ (D)
Verlag: 
btb Verlag 2019, ursprünglich 2018 Klaus Wagenbach Verlag
Genre:  Slice of Life / Alltag 
ISBN: 
9783442718283
Info: Mein Exemplar ist ein Gebrauchtbuch.

Buchrücken:




"Endlich hat er Zeit. Er könnte das alte Radio reparieren oder die Plattensammlung ordnen. Doch als er der jungen Mie begegnet, die ihm ein seltsames Angebot macht, beginnt er die Dinge anders zu sehen. Ein zarter Roman über einen späten Neuanfang und über das Glück."
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Kurz über die Autorin:
Milena Michiko Flašar (*1980) ist eine österreichisch-japanische Schriftstellerin, studierte Germanistik, Romanistik sowie Komparatistik und unterrichtet Deutsch als Fremdsprache in Wien. Ihr Buch "Ich nannte ihn Krawatte" erhielt mehrere Preise als Bestseller.
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Meine Meinung:
Der namenlose Hauptcharakter (Herr Katō nennt ihn später erst Mie) ist frisch pensioniert: Früher voller Pläne für diese Zeit, befindet er sich jetzt eher in einer Midlife crisis: Seine Frau schickt ihn beispielsweise zu einem Durchcheck zum Arzt, wovor er sich erst etwas fürchtet und am Ende noch enttäuscht ist, als er für fit attestiert wird. Unglaublich viele Dinge beschäftigen ihn, er denkt über vieles nach, ohne doch irgendwie zu einem Ergebnis zu kommen. Etwas reparieren, den alten Kollegen besuchen? Demnächst. Auch mit seiner Frau hat er sich auseinander gelebt und während er sich innerlich über viele Dinge um sich herum aufregt, unfairer Weise oft auch über seine Frau, sagt er nach außen nur die Hälfte seiner Gedanken. Als er auf dem Friedhof all seine Hemmungen fallen lässt und tanzt, sieht ihm dabei die junge Mie zu und ist begeistert. Sie kommen ins Gespräch und sie gibt ihm ihre Karte: Mie ist Schauspielerin, die man sich für einmal als Freundin, Mutter, Tante, Enkelin mieten kann. Erst verwirrt und nicht sonderlich begeistert davon, ruft er sie doch irgendwann zurück...

Soweit etwas mehr zum Inhalt. Ich muss sagen, dass ich erst eine andere Entwicklung vermutet hatte: Ich dachte bei dem Buchtitel, er trifft eine junge Mutter und übernimmt  für die Familie so etwas wie die Großvaterrolle. So war es aber auch interessant!

Übrigens hat im Buch kaum  einer so recht einen Namen. Der Hauptcharakter, seine Frau, seine Kinder- alle namenlos. Und auch bei Mie weiß man nicht, ob sie wirklich so heißt.

Die Hauptfigur hat mich ein bisschen gespalten: Einerseits empfindet man Mitleid, wenn er sich erinnert, wie Sachen mal waren oder was für Träume er mal hatte und wie im Alter dann doch manches ganz anders kommt. Oder wenn er im Zug freundlich sein möchte und ein weinendes Baby anlächelt, die Mutter das aber nicht will.
Andererseits sind seine Gedanken wiederum schon sehr gemein, wenn er sich z.B. innerlich über sinnlose Kleinigkeiten im Alltag mit seiner Frau aufregt. Ein ambivalenter Charakter, der seinen Platz im Ruhestand sucht.

Das Buch hat wirklich lustige Stellen, die mich lachen ließen. Aber auch nachdenkliche. Ich persönlich war am Ende jedoch nicht komplett zufrieden. Ich hätte gehofft, dass einige Charaktere später noch reflektierter, aufmerksamer für ihre Mitmenschen hätten sein können. Andererseits ist das immer eine Wunschvorstellung- die Realität ist eben leider auch oft anders.

Was anstrengend war, zumindest aus meiner Sicht, war der Schreibstil. Er war interessant und habe ich so auch noch nicht gesehen: es wird schon irgendwie aus der dritten Person erzählt, aber auch aus 'seiner' Sicht: seine Gedanken werden uns geschildert, oft sehr lang und bewusst  verschachtelt, manchmal etwas wirr- so wie Gedanken eben sind. Sie kommen und gehen schnell, blicken auf Wichtiges und Unwichtiges und wirken dadurch recht realistisch. Allerdings war das Lesen dadurch nicht immer einfach oder schnell. Manche Informationen waren mir zu viel und hätten weggelassen werden können, aber grundsätzlich war der Stil schon mal interessant und anders. Dennoch habe ich mich öfters ertappt, mehrere Sätze mehrmals zu beginnen- etwa, wenn ein Schachtelsatz über zehn Zeilen ging. Und es gibt viele Schachtelungen im Buch.
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Eine Stelle aus dem Buch:
  • "Als man ihm sagt, dass alles in Ordnung ist - keine Auffälligkeiten, nichts Besorgniserregendes - für sein Alter tipptopp - da empfindet er neben der Erleichterung eine insgeheime Enttäuschung. Er hat gehofft, man würde etwas finden. Und auch wenn es ihm kaum bewusst gewesen ist, hat ihm die Hoffnung darauf ein Gefühl von Wichtigkeit gegeben: Man würde etwas finden und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Eine Diät etwa. Sport. Drei Tabletten pro Tag. Maßnahmen, auf die er sich gefreut hat und die er trotz Vorfreude darauf zuerst mit einigem Widerstand, dann, sich nach und nach fügend, am Ende eifrig befolgt haben würde."
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Fazit: 
Eine Geschichte über und aus dem Leben, über Glück und Zufriedenheit und die kleinen und großen Dinge im Leben. Ein außergewöhnlicher Erzählstil, den man mögen muss, sonst kann es anstrengend werden mit dem Lesen.


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