"Die Farbe von Winterkirschen" - Buchrezension


Allgemeine Infos:

Autor: Jackie Copleton
Originaltitel: "A Dictionary of Mutual Understanding"
Übersetzung: Andrea Brandl
Erscheinung: 2015 Original, 2017 übersetzt
Originalpreis: Nicht zurückfolgbar; mittlerweile gesenkt
Verlag: L!mes Verlag, Verlagsgruppe Random House
Genre: historischer Roman 
ISBN: 978-3-8090-2666-2


Rückseite und Klappentext:




Buchrücken:
"Sie verlor ihre Tochter an dem Tag, an dem die Bombe fiel. Ama hatte sich mit Yuko verabredet, um mit ihr über den Mann zu sprechen, den Yuko so liebte und Ama gleichermaßen verabscheute. Doch dazu kam es nie. Ama war zu spät - und ihre Tochter und ihr Enkel tot.
Ama ließ Nagasaki hinter sich,  wanderte nach Amerika aus,  aber der Schmerz blieb. Nie konnte sie sich verzeihen,  gab sich selbst die Schuld am Tod, ja sogar am Schicksal ihrer Tochter. Sie zog sich immer mehr zurück und lebte in ihrer eigenen Welt voll Trauer und Schmerz- bis ein junger Mann an ihre Tür klopft. Er sagt, er sei Hideo, ihr totgeglaubter Enkel. Zuerst will sie ihm nicht glauben,  doch dann öffnet sie ihr Herz und lässt die Hoffnung herein..."



Klappentext:
"Amaterasu Takahashi hat ihr ganzes Leben damit verbracht,  um ihre Tochter Yuko und ihren Enkel Hideo zu trauern, die sie 1945 verloren hat, als die Atombombe auf Nagasaki fiel. Sie hätte eigentlich bei ihrer Tochter sein müssen, als das Unheil losbrach. Sie waren verabredet, nur Ama war zu spät. Nie konnte sie sich verzeihen, noch immer gibt sie sich die Schuld daran, dass ihre Tochter sterben musste. Auch nach all den Jahren, die seitdem vergangen sind.
Inzwischen lebt Ama allein und zurückgezogen in Amerika. Deshalb wundert sie sich auch sehr, dass eines Tages ein junger Mann vor ihrer Tür steht. Er behauptet Hideo zu sein,  ihr totgeglaubter Enkel. Ama will es zuerst nicht glauben. Nur langsam lässt sie ihren Erinnerungen freien Lauf und stellt sich ihrer Vergangenheit, bis sie sich letztlich erlaubt Hoffnung zu haben,  Hoffnung auf Vergebung und ein kleines bisschen Glück..."

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Meine Meinung:

Dieses Buch zeigt uns die fiktive,  aber dennoch sehr nah an der damaligen Lebenswelt orientierten Geschichte verschiedener Menschen Nagasakis. Dabei vereinen sich allgemeine Themen wie Familie über mehrere Generationen, Liebe, Trauer, Reue und Vergeben, Verlust und Schmerz, Hoffnung und Glauben mit der japanische Kultur,  der Lebensweise in der damaligen Zeit im Raum Nagasaki, das Thema zweiter Weltkrieg und der Abwurf der Atombombe sowie ihrer Folgen und was den Menschen blieb, die überlebten.
Im Buch geht es zwar mehrfach um Liebesgeschichten,  aber eine reine Liebesgeschichte oder Hauptthema ist es damit absolut nicht und dem Buch wäre damit Unrecht getan.
Die Charaktere werden sehr gut beschrieben,  mit der Zeit versteht man immer besser ihre Handlungen und Gedanken. Man spürt den Schmerz beispielsweise der Eltern,  die irgendwie fertig werden müssen mit ihrer Trauer und Hilflosigkeit,  weil sie nicht einmal Leichname zum Beerdigen haben. Oder weil es manchmal eben Momente im Leben gibt, wo Worte ungesagt blieben und Hinterbliebene irgendwie fertig werden müssen damit. Man spürt die Wut aufeinander in dem ein oder anderen Moment, aber auch die Hoffnungen und Freude der Figuren.

Das Buch ist aus der Sicht der Oma, Amaterasu (ja, sie heißt wirklich wie die Sonnengöttin) geschrieben. Zwischen der aktuellen Zeit (in der Ama vom Alter, Leid und Schmerz geprägt ist und ihr vermeintlicher Enkelsohn sie aufsucht) und anderen Zeitaltern wird gewechselt. Und auch die Charaktere wechseln sich ab: es geht um die Zeit vor dem Bombenabwurf, in dem Ama quasi ihre Sicht erzählt und immer wieder dazwischen Tagebucheinträge von Yuko ergänzen, wie diese etwas sah und erlebte. Dinge, die ihre Mutter zum Beispiel damals nicht wusste oder verstand und erst durch das Lesen des Tagebuchs nachvollziehen konnte. Dazu kommen später Briefe des Doktors, einer weiteren zentralen Figur. Zeitlich geht es mal in Yukos Jugend, Yukos Zeit als Mutter und Ehefrau, die Zeit vor und im Krieg vor der Bombe, die Zeit nach Yukos Tod und das dann folgende Leben ihrer Eltern und andere Charaktere und die jetzige Zeit, in der Ama alt ist. Außerdem berichtet Ama später auch aus ihrer eigenen Jugend und Ehe.

Interessant ist die Verflechtung der einzelnen Charaktere miteinander. Einige Handlungen und Wendungen waren für mich vorhersehbar, einige nicht, trotzdem ist man gespannt zu erfahren,  wie denn nun die ein oder andere Situation zustande kam, die vielleicht schon angedeutet wurde. Am Anfang hatte ich manchmal das Problem, zu erkennen, wann Ama und wann Yuko berichtet, aber als ich mich erst einmal eingelesen hatte, legte sich das. Am Ende ergibt alles einen Sinn, jede von den Charakteren erzählte Handlung, jeder Brief. 

Jackie Copleton kann sich meiner Meinung nach unglaublich gut in ihre Charaktere einfinden. Das heißt, die japanischen Charakere wirken auch wie solche- nicht, als sein sie von einer Amerikanerin geschrieben worden. Sie packt Themen sensibel genug an, erzählt einfühlsam, vielschichtig und gut recherchiert und deshalb kommt dieser Romanmeiner Meinung nach bei den meisten Kritiken im Netz auch unglaublich gut an. 

Mit Blick auf Japan hat sich das Buch schön gelesen. Es war eine Freude von Orten in Nagasaki und Umgebung zu lesen, die ich selbst besucht hatte- Kirchen, Tempel, China-Town, Glover Garden, Shimabara, Unzen,... Sich diese vorzustellen,  wie sie mal ausgesehen hatten und zu wissen,  wie sie jetzt aussehen.

Jackie Copleton beschreibt nicht nur die Orte sehr gut,  auch das Leben und Verhalten der Menschen damals, wie der Krieg sich entwickelte und verlief. Wie etwas roch oder sich anfühlte ließ sich so gut nachvollziehen. Sie schreibt über damalige Arbeiter und Berufe, über Sitten, Gebräuche, Jahreszeiten, Natur und Feste. Die Geschichte der Familie war frei erfunden,  schreibt sie, aber die historischen und kulturellen Kontexte sind recherchiert und das merkt man. Ein Gedanke den ich immer mal hatte: Das ist jetzt schon der zweite historische Roman über Japan, in dem ich das Gefühl habe, dass der Autor sehr viel Themen Japans versucht unterzubringen. Als das Thema Vergnügungsviertel aufkam, dachte ich "Ach, das Thema auch noch", aber es war trotzdem nicht so, dass es mir zu viel wurde. Es war alles in allem für mich in Ordnung mit den ganzen Themen.

Was ich manchmal etwas 'schade' fand, ist, dass manche japanische Eigennamen im Fließtext nicht genannt werden- nicht alle, nur manche. Zum Beispiel wird das O-Bon Fest beschrieben, aber nicht beim Namen benannt. Oder es wird das japanische Spielzeug Kendama beschrieben,  als das was es ist, aber ohne Namen. Vielleicht dient es dem Verständnis für Leser, die mit japanisch nicht so viel zu tun haben- da können zu viele Fremdwörter auch verwirrend sein. Ich hätte es schön gefunden, allerdings behindert es überhaupt nicht den Lesefluss und es gibt auch keine zu sinnlosen Übersetzungen. Für Japankenner und Nichtkenner sozusagen beiderseits empfehlenswert!

Gefallen hat mir wiederum dagegen,  dass zu Beginn eines jeden Kapitels ein japanisches Wort aus der japanischen Kultur erklärt wird, erst dann startet das Kapitel.

Ob Hideo wirklich Amas Enkel ist, ob das am Ende überhaupt noch wichtig ist, wie die Leben der anderen vorkommenden Charaktere verlaufen sind und ob Ama je richtig Frieden schließen kann,  erfahrt ihr im Buch :)

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Lieblingsstelle:
Amas Worte und Gedanken ganz zum Schluss des Buches, aber das wäre gespoilert ;) Ansonsten vielleicht das:

Der deutsche Titel des Buches stammt übrigens von folgender Stelle:
  • "...Sie wirkt wie ein Trugbild, erschaffen von der fahlen Sonne auf der Holzvertäfelung. In ihrer ausgestreckten Hand hält sie das Schälchen und dreht es im Uhrzeigersinn,  dann gießt sie heißes Wasser auf das grüne Teepulver und greift nach dem kleinen Bambusbesen, mit dem sie so lange umrührt, bis die Flüssigkeit wie eine Schaumzikade auf dem Rsen blubbert und schäumt,  ehe sie mir die Schüssel reicht. Sie trägt einen Kimono in der Farbe von jungen Winterkirschen oder eines Teestrauchs, aber stets rot, als Zeichen des Glücks, des Lebens,  des Mutterleibs."
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FAZIT:
Wer eine sehr einfühlsame, gut recherchierte Geschichte über eine Familie aus Nagasaki lesen und dabei etwas mehr über Japan erfahren oder sich an eigene Reisen dorthin erinnern und/oder sich dorthin einfühlen möchte, ist hier genau richtig. Habt keine Angst vor dem Thema Atombombenabwurf, es ist keine rein traurige Geschichte,  sondern auch eine mit hoffnungsvollem Blick nach vorn. Die Themen werden unglaublich realistisch und gut behandelt und mir gefielen vor allem die vielen kleinen Details, die die Geschichte so real machen. Großer Tipp meinerseits. 


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